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Radsportfieber. Düsseldorf bereitet sich auf den Start der Tour am Sonnabend vor. Im Rahmenprogramm spielt die Band Kraftwerk – natürlich auch ihren Song „Tour de France“ von 1983.

© Peter Dejong/dpa

Start der Tour de France: Gefühlt göttlich

Am Sonnabend startet in Düsseldorf die Tour de France: Unser Autor erinnert sich an sportliche, touristische und kulinarische Höhepunkte der Frankreich-Rundfahrt.

Die Tour rollt an, diesmal in der Heimatstadt. Schön für Düsseldorf, auch wenn’s doch ein wenig albern anmutet, dass die Tour de France zur Tour d’Europe ausgeweitet wird. Kann man machen, muss man aber nicht. Vor Jahren startete sie auch mal in London, was einen Flugtransfer erforderte, ganz ohne Rad. Andererseits fand die letzte Pressekonferenz vor dem Prolog bei Jamie Oliver statt, dem begnadeten Koch. Ist der Genuss einer solchen Pressekonferenz verwerflich?

Die Tour de France, das größte Radsportereignis der Welt, mythenumrankt, sagenumwoben und auch wenn sie doch stark verpönt ist wegen Jahrzehnte langem, eigentlich fortwährenden Drogenmissbrauchs der Teilnehmer, sie bleibt ein Spektakel und sie als Berichterstatter zu begleiten ein journalistischer Höhepunkt.

Fünfmal war ich dabei, vom Start bis ins Ziel in Paris, über Berge, durch Täler, stressig ohne Ende, weil man in der Früh am Start sein muss, eine Stunde vor Start der vorausfahrenden Werbe-Karawane auf der Piste sein muss, um frühzeitig im Zielort zu sein. Aber wer rollt, der rollt durch die herrlichsten französischen Landschaften, durchquert die malerischsten Orte, hat keine Zeit für ein Bad im idyllischen See, und hat doch hier jeden Tag Gründe genug, sich über die Berufswahl zu freuen.

Veranstalter der Tour sind Journalisten, die der Sportzeitung L’Equipe, und die wissen, was Journalisten brauchen und mögen. Es gibt wahrscheinlich kein Sportereignis dieser Größe, bei dem es so wenig Einschränkungen und Arbeitsbehinderungen gibt, wie die Tour. Und dann kommt man an am Etappenziel. Das sind meist kleinere Ortschaften, und diese kleineren Gemeinden überschlagen sich in der Regel für die Eigendarstellung.

Es gibt riesige Pressezelte für die über tausend Köpfe, die darin beim Texten rauchen. Es gibt unzählige Bildschirme, weil Straßenradsport nur beim Start und am Ziel ein Sport fürs Auge ist und auch Journalisten am Straßenrand nur eine vorbei huschene Meute auf dem Rad sehen. Es ist laut in diesen Pressezelten, babylonisch, es wird heiß, und – man kann darauf wetten – es kommt regelmäßig irgendwann einmal während dieser Tour-Tage zu Ausrastern. Dann geraten die Nationen aneinander, nicht böse, nicht zu aggressiv, mehr zur Belustigung, aber das mit Tradition. Und dann gibt es neben dem Pressezelt die Versorgungszelte, in denen sich die Gemeinden noch einmal überschlagen mit ihren heimischen kulinarischen Angeboten, und nicht nur Gott in Frankreich weiß, dass es davon reichlich gibt. Die touristischen Aspekte der Tour de France sind also nicht zu unterschätzen. Man durchquert ganz Frankreich, das Auge reist mit, man durchspeist ganz Frankreich. Bon.

Von letzten sind die Straßen nahezu gepflastert bei so einer Tour

Und auf den Straßen liegen die Themen. Die schönen und heroischen, die tragischen und die schurkischen und verbrecherischen. Von letzten sind die Straßen nahezu gepflastert bei so einer Tour. Und man musste schon fanatisch blind sein, um nicht zu sehen, was offensichtlich war und wahrscheinlich immer noch ist. Ich bin in einem Jahr am Fuße des Mont Ventoux aus dem Fahrzeug gestiegen und bin zur Bergankunft gegangen. Ich bin gut zu Fuß, auch und gerade am Berg, ich kam am Denkmal von Tom Simpson vorbei, der hier 1967 gedopt und tot vom Rad fiel. Spätestens seit diesem Wander-Aufstieg wusste ich, dass man diese Tour in diesem Tempo nicht allein mit Müsli, Pasta und Mineralwasser durchhält. Und großes Talent und enormer Trainingsaufwand reichen dazu auch nicht aus.

Inzwischen ist ja vieles rausgekommen, bewiesen, bestraft. Vorbei also vielleicht die Zeiten, in denen den Zweiflern an Lauterkeit und Redlichkeit, den Skeptikern des reinen Sportsgeistes Prügel angedroht wurden. Selbst erlebt, aber dann wurde der eine der rabiaten Sportskanonen, ein berühmter deutscher Sprinter, doch überführt, und die anderer rabiate Sportskanone, ein damals berühmter deutscher sportlicher Leiter, auch, oder hat sich zumindest eines Besseren hat belehren lassen müssen, dass seine Hand im Feuer für seiner Sportler wohl verkohlt wäre.

Die Tour der France also ein Fake. Aber ja, wie ja auch Gott wohl nie persönlich in Frankreich war. Aber sich fühlen wie er, wäre er in Frankreich, das wird auch diese Tour der France wieder schaffen. Sportlich, touristisch, kulinarisch.

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