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STEIL Pass: Das Unplanbare planen

Stefan Hermanns über das Leitbild des VfL Bochum und historische Vorbilder

Wenn es um die wechselseitige Beziehung zwischen Fußballklubs und ihren Fans geht, werden gerne Metaphern aus dem Bereich des Metaphysischen bemüht. Da wird der Verein sehr schnell zu einer Religion, beliebt ist es auch, die Fans in diesem Kontext als Jünger zu bezeichnen, die ins Stadion pilgern respektive in eine Kathedrale des Fußballs. Der Rückgriff aufs Religiöse ist insofern okay, als er eine unergründliche Leidenschaft zumindest zu beschreiben versucht. Umso verwunderlicher ist es, wenn ein Verein sich freiwillig in die Sphäre politischer Parteien begibt. Weniger verwunderlich ist das, wenn es sich um den VfL Bochum handelt, dessen mystische Strahlkraft in etwa dem des Ordens der Barden, Ovaten und Druiden gleicht.

Als erster Bundesliga-Verein hat sich der VfL jetzt ein Leitbild gegeben, das fortan dazu dient, die Identität des Klubs zu wahren. Hört sich alles sehr verdächtig nach SPD-Grundsatzkommission an, zumal sich der VfL explizit zu seiner sozialen Verantwortung bekennt. Die Bochumer wollen „selbstbewusst statt selbstgefällig, bodenständig statt abgehoben, anfassbar statt unberührbar“ sein, genau das Gegenteil des 1. FC Köln also, dessen Leitbild Manager Michael Meier Anfang des Jahres kurz und knapp mit „elitärer Arroganz“ umschrieben hat. Dank elitärer Arroganz verbringt der FC nun ein weiteres Jahr in der Zweiten Liga. Aber zumindest kann man ihm nicht den Verrat an der eigenen Identität vorwerfen.

So unterschiedlich Bochum und Köln in ihrer Anmutung sein mögen, die Idee, sich ein Leitbild zu geben, entspringt dem Wunsch, das Unplanbare planbar zu machen, den Fußball zu entmystifizieren und damit letztlich zu beherrschen. Der VfL formuliert in seinem Leitbild ausdrücklich das Ziel, „sportlich und wirtschaftlich dauerhaft erstklassig zu sein“, wobei er glaubt, „auch unabhängig von der Ligenzugehörigkeit erstklassig sein“ zu können. Das ist sehr weitsichtig, denn der Fußball lässt sich nicht beherrschen, vor allem interessiert er sich nicht für Leitbilder. Mitte der Neunziger fasste der Karlsruher SC seine Visionen fürs neue Jahrtausend in dem Konzept „KSC 2000“ zusammen. Demnach sollte sich der Klub dauerhaft als Spitzenmannschaft etablieren. Im Jahr 2000 stieg der KSC dann in die Regionalliga ab.

Stefan Hermanns schreibt an dieser Stelle im Wechsel mit Philipp Köster.

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