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STEIL Pass: Knutschen in der Kurve

Minh-Khai Phan-Thi über Mütter im Berliner Olympiastadion

Natürlich ist Fußball ein bisschen prollig, und natürlich wird viel im Stadion geflucht. Aber ich bin nicht so zimperlich.

Vielleicht lag das an meiner Kindheit. Ich war zarte zehn, als mich mein Papi das erste Mal ins Stadion mitnahm, zu Bayern München. Und ich war 13, als ich ein Date hatte mit einem traumhaften Typen. Ich hatte keine Augen für die Fußballer, aber geknutscht haben wir trotzdem nicht. Fankurven sind nicht gerade der Ort für Romantiker.

Nun sind viele Jahre vergangen, ins Stadion gehe ich aber immer noch. Ins Olympiastadion. Zu Hertha. Als Mutter. Das erste Mal nahm ich meinen Sohn mit, als er noch nicht geboren war. Ich hatte mir gesagt: Mmh, du gehst im sechsten Monat snowboarden, dann kann er auch mit zu Hertha, oder? Mit neun Monaten haben wir ihn dann in eine Decke gewickelt und uns auf die Tribüne gesetzt, 2005 war das. Mit dem Kinderwagen in den Fanblock stellt sich ja keine Mutter.

Damals ist auch bei ihm die Fußballleidenschaft entbrannt. Er schaut immer begeistert auf die blau-weißen Fahnen und spielt mit dem Maskottchen, dem Bären Herthinho. Und wenn ihm das Spiel auf dem Rasen nicht gefällt – da habe ich ihm das Leben leider nicht leicht gemacht, bei Hertha muss man oft leiden – , zieht’s ihn mit seinem Plüschball in die Vip-Loge. Zur allgemeinen Erheiterung, naja, schießt er dann Weingläser vom Tisch.

Im Stadion halte ich ihm nicht die Ohren zu, sondern reiße mich lieber zusammen, um nicht zu schimpfen, wenn ein Herthaner fies gefoult wurde. Aber das Wörtchen „Scheiße“ hat er bestimmt schon mal gehört – ist ja immer noch ein Stadion. Ich bin jetzt mal gespannt, wie er die Frauen-WM verfolgt. Ich bin optimistisch, was meinen Sohn angeht: Rollt der Ball im Fernsehen, starrt er automatisch stundenlang hin, egal ob Frauen oder Männer spielen. Ein echter Fan!

Minh-Khai Phan-Thi, 33, ist Moderatorin und Schauspielerin („Mein Vietnam – Land und kein Krieg“) und ein Fan von Hertha BSC. Aufgezeichnet von André Görke. P.S.: Ab nächster Woche schreiben wieder Stefan Hermanns und „11 Freunde“-Chefredakteur Philipp Köster im Wechsel.

Minh-Khai Phan-Thi

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