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STEIL Pass: Würdelose Wehleidigkeit

Jens Kirschneck über Mimosen, Rugbyspieler und Kniescheibenbrüche

Kann es sein, dass alle Fußballer ein Glaskinn haben? Das möchte man annehmen, wenn man wieder mal sieht, wie ein Profi nach allenfalls leichtem Körperkontakt zu Boden geht, als habe ihn der Blattschuss einer doppelläufigen Schrotflinte erwischt. Unsere Redaktionspraktikantin, die in ihrer Freizeit Rugby spielt und danach oft so aussieht, als habe sie sich durch mehrere Wirtshausschlägereien gearbeitet, begegnet dem Gebaren der Kicker mit Fassungslosigkeit. Fußballer, die sich nach jeder Berührung wälzen wie eine zweitklassige ukrainische Bodenturnerin, würden im Rugby soziale Ächtung erfahren. Im Fußball hingegen ist die Wehleidigkeit legitimiert, es wird gejammert, gewinselt und noch im Flug die nötige Auswechslung angezeigt, wie es die Spezialität des früheren Bielefelders Fatmir Vata war.

Bedauerlich, wie das Vorbild des Profitums bis an die Basis durchschlägt. So hatten wir in unserem Wilde-Liga-Team einen Kollegen, der nach harmlosen Zweikämpfen mit dem Schrei „Kniescheibenbruch!“ zusammenklappte. Da lobe ich mir jene Spieler, die auch im Angesicht schwerer Verletzungen Würde und Contenance bewahren. Einmal fiel in einem Freizeitspiel ein Gegner so unglücklich, dass irgendwas Blödes mit seinem Arm passierte, jedenfalls stand der Unterarm lotrecht vom Oberarm ab, in die falsche Richtung. Der Mann blieb ruhig liegen, und als der Krankenwagen kam, um ihn abzutransportieren, sagte er mit fester Stimme: „Nein, nein, ich möchte hier einfach ein bisschen ausruhen.“ Man musste ihn außer Gefecht spritzen, um ihn ins Spital zu bekommen. Solchen Leuten würde auch im Rugby eine große Karriere offenstehen.

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