zum Hauptinhalt

STEILPASS Ausland: Grätschen wie pure Poesie Dominik Bardow beklagt die Mutation des modernen Fußballs

Die Klage hört man oft: Die großen Individualisten gibt es nicht mehr im Fußball. Das Dribbling stirbt aus, die Kreativen sind gefährdet.

Die Klage hört man oft: Die großen Individualisten gibt es nicht mehr im Fußball. Das Dribbling stirbt aus, die Kreativen sind gefährdet. Als jemand, der oft in Berliner Cafés sitzt, kann ich versichern: An Leuten, die ja eigentlich Kreative sind, mangelt es sicher nicht. Eher an Kellnern, die einfach nur Kellner sind. Die einfach abliefern, was bei ihnen bestellt wurde.

Die Kellner des Fußballs sind die Verteidiger. Verrichten sie ihre Arbeit vernünftig, fallen sie nicht weiter auf. Paolo Maldini war ein Gegenbeispiel: ein Kellner, der wirklich ein Kreativer war und nicht eigentlich. Seine Grätschen waren schöner als anderer Leute Hackentricks. Wie er sich hineinlegte, so lässig, als könnte er dabei einen Cappuccino trinken, elegant Gegnerbeine umschnitt und den Ball im gleichen Atemzug zum Mitspieler weiterleitete.

Das war pure Poesie. Seine Grätschen waren nicht zerstörerisch, sondern schöpferisch. So etwas stirbt wirklich aus.

Ich bewunderte Maldini zur gleichen Zeit, wie ich im Basketball Hakeem Olajuwon verehrte. Der drosch gegnerische Würfe nicht einfach grölend in die Zuschauerränge, sondern leitete mit einem Block bereits den Gegenangriff seines Teams ein.

Das gibt es heute nicht mehr. Dieser eklige Systemfußball, verschieben, anpressen, zustellen, dieses Abgelaufe, das hat der Grätsche den Rang abgelaufen. Der moderne Fußball ist mutiert zu einem Berliner Café, in dem sich alle für Mesut Özil, Mario Götze oder Marco Reus halten, von Projekten und Matchplänen daherfaseln, während der Cappuccino kalt wird.

Manchmal wünschte ich mir, Paolo Maldini würde ihn mir bringen und dabei noch drei Kreative umgrätschen. Ohne einen Tropfen zu vergießen, natürlich.

Zur Startseite