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STEILPASS Ausland: Im Zoo der Zukunft

Dominik Bardow über die Todesfälle unter argentinischen Fußballfans.

Vor einem Jahr bin ich eingesperrt worden. Es war im Estadio Monumental in Buenos Aires. River Plate hatte in letzter Minute den Ausgleich gegen Quilmes kassiert, das war schon eine halbe Stunde her, aber die Tore waren zu und wir durften die Kurve nicht verlassen. Draußen geleitete die Polizei die Quilmes-Fans zu ihren Bussen. Die Argentinier um mich herum wurden immer unruhiger, drängelten und rüttelten an den Gittern, mir war klaustrophobisch zumute. So muss sich ein Tier im Zoo fühlen, dachte ich.

Man muss den Zoowärtern vom Monumental zugute halten, dass sich einige Fans in Argentinien wirklich benehmen wie Tiere. Während im deutschen Fußball noch über Pyrotechnik diskutiert wird, ist in Argentinien gerade der dritte Fan in diesem Jahr gestorben. Seit 1924 werden 257 Todesopfer gezählt. Argentinische Fans sind anders: Die Ultras nennen sich Barras Bravas, wilde Jungs. Sie verdienen am Eintrittskarten- und Drogenhandel, sie bedrohen Spieler und Klubchefs, die die Barras Bravas aber auch als Schlägertrupps politisch nutzen.

Aber vielleicht sind argentinische Fans gar nicht so anders: Weil es schon so lange Gewaltprobleme gibt, ist in Argentinien dazu viel geforscht worden. Die Aguante-Theorie besagt, dass, wenn Spieler und Verantwortliche immer schneller wechseln, sich die Fans irgendwann als die eigentlichen Hüter der Vereinswerte verstehen. Sie verteidigen ihr Territorium und stürmen andere Stadien, konkurrieren in einem imaginären Ranking der Gewalt. Auch in Deutschland gibt es vermehrt wilde Jungs, die sich als die eigentlichen Protagonisten des Spiels sehen. Vielleicht ist Argentinien der Zoo der Zukunft. Ich kann nur sagen: Es fühlt sich nicht gut an.

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