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STEILPASS Extra: Otto Schily träumt vom Pott Moritz Rinke über Herthas Titelfeier

auf den teuren Plätzen

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, hat ja Hermann Hesse gesagt, zumindest ist die La Ola auf der Ehrentribüne nicht der Regelfall, erst recht nicht im Berliner Olympiastadion, aber mittlerweile haben ja viele in Berlin begriffen, dass diese Zweitliga-Saison von Hertha BSC eine besondere war. Im Spiel gegen Augsburg hielt es jedenfalls selbst die erste Reihe nicht mehr: Wunderbar wuchtig die Welle von Otto Schily mit DB-Chef Grube! Wowereit la-olat mit Hertha-Präsident Gegenbauer; Aufsichtsratschef Bernd Schiphorst deutet mit einer Hand seine Begeisterung an und erläutert mit der anderen einer Reporterin der „Augsburger Allgemeinen“ den Umbau des Olympiastadions. Bei Hertha ist wieder was los.

Zwei Meter vor der ersten Reihe saß 1936 noch Adolf Hitler und musste sich den Sieg von Jesse Owens im 100-Meter-Lauf ansehen, Hitlers allererste Ehrenreihe wurde nach einer der letzten Anordnungen der britischen Militärveraltung von der Ehrentribüne abgetrennt, da ist heute nur noch Berliner Luft. „1931 holten wir den letzten richtigen Titel“, ruft Schily überschwänglich Grube zu. „Da warst du noch gar nicht auf der Welt“, bemerkt Wowereit, als Herthas Spieler unten in der Kurve die kleine Meisterschaft feiern. „Die Schale, die Schale!“, ruft eine Frau. „Es ist eine Felge, gnädige Frau“, korrigiert Schiphorst, der mit Gegenbauer der Einzige ist, der für die Zukunft die Felge gut von der Schale unterschieden haben will. Berlin und die Erwartungen, das kennt man schon, besonders bei Hertha ...

„Mission erfüllt!“, scheint sich auch Renate Künast gedacht zu haben, springt nach dem Schlusspfiff auf und geht auf Wahlkampftour von der Ehrentribüne bis zur Jesse-Owens-Lounge. Lange hat man die Hauptstadt nicht mehr so munter und fröhlich beim Fußball gesehen. Hoffen wir, dass es so bleibt, auch wenn nach Adam Riese erst einmal zur Felge keine Schale dazukommen dürfte. „Aber vielleicht der Pott!“, ruft Schily mit funkelnden Augen und setzt sich auf seinen Platz, so als wolle er dort warten bis August, bis es endlich losgeht.

Moritz Rinke ist Schriftsteller, Stürmer der Autoren-Nationalmannschaft und Autor des Tagesspiegels.

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