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STEILPASS Fans: Kommentieren nach Zahlen

Dirk Gieselmann über die Statistikwut in der Fußballberichterstattung.

Neulich las ich, dass ein Sieg umso wahrscheinlicher wird, je mehr Tore eine Mannschaft schießt. Das ist nicht gerade eine neue Information. Ich würde viel lieber mal eine Statistik lesen, die zeigt, wie stark die Zahl der Statistiken in der Fußballberichterstattung über die letzten Jahre angewachsen ist. Diese Kurve würde bestimmt so steil ansteigen wie die Eiger-Nordwand. Gelaufene Kilometer, begangene Fouls, zugebundene Schnürsenkel, getrunkene Liter – es wird gezählt, was gezählt werden kann. Was das auf Sicht für die Sportredaktionen bedeutet, vermag ich mir nur in albtraumhaften Bildern auszumalen: Der altgediente Reporter wird harsch seines Büros verwiesen, in dem er schon über die WM 1970 geschrieben hat, die Karteikärtchen mit den Stichwörtern „Sonntagsschuss“ und „Glanzparade“ kann er gerade noch an sich raffen. Seine Nachfolger sind acht siebzehnjährige Statistiker, die das Spiel nicht gesehen haben müssen, um es zu analysieren. Ihre neueste Errungenschaft ist die „Heatmap“, ein Diagramm in Form eines Fußballfeldes, das zeigt, wer sich wann wo wie lang aufgehalten hat. Ich weiß auch ohne „Heatmap“, wann ich mich wo wie lang aufgehalten habe: Ich sitze nun schon seit einer Viertelstunde an diesem Schreibtisch, in einer „Heatmap“ meiner Kolumne müsste diese Zeile rot werden, tiefrot, denn ich komme einfach nicht weiter. Das Zitat, das all diesen Statistik-Firlefanz der Lächerlichkeit preisgibt, es will mir einfach nicht einfallen. Doch! Hier ist es! Es ist von George Bernard Shaw: „Die ultimative Statistik ist der Tod. Einer von einem stirbt.“ Das gilt übrigens auch für Statistiker, die sich für unsterblich halten.

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