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STEILPASS Fans: Platzsturm der Liebe

Dirk Gieselmann über gekränkte Fans und angegriffene Spieler

In Magdeburg trieben Vermummte einen Spieler aus der Stadt, in Dresden hoben Unbekannte Gräber für die Profis aus, und in Köln prangte das Graffito „Wenn ihr absteigt, schlagen wir euch tot“. All das hat mich nachdenklich gestimmt. Sind Fans noch der 12. Mann? Oder längst der Feind in den eigenen Reihen? Die Wahrheit liegt dazwischen. Manchmal erhebt sie sich und legt sich auf die eine oder die andere Seite, wie ein Hund. Ein Hund kann treu sein, ein Leben lang. Aber das heißt nicht, dass er niemals sein Herrchen beißt.

Dabei fiel mir eine Begebenheit aus meiner Zeit als Fußballer ein. Nicht dass wir damals Fans gehabt hätten. Aber treue Zuschauer, die hatten wir, Väter von Spielern zumeist. Nun geschah es eines Sonntags, dass wir uns vor einer Partie aufwärmten und unser Stürmer partout das Tor nicht traf. „Was ist los, Uwe?“, unkte da der Vater unseres rechten Verteidigers. „Hat deine Frau dich fertig gemacht?“ Der Stürmer, ohnehin gereizt, brüllte zurück: „Halt die Schnauze, Helmut! Meine lässt mich wenigstens noch ran!“ Binnen Sekunden eskalierte die Situation: Der Vater setzte zum Platzsturm an, mit erhobenem Spazierstock raste er auf den Spieler zu, der seinerseits lossprintete, bereit zum Kampf. Nur mit hohem Kraftaufwand konnten wir die beiden auseinander halten.

Eine Szene bloß aus der Belanglosigkeit der Kreisligen. Und doch zeigt sie: Auf beiden Seiten, auf dem Feld und an dessen Rand, stehen Menschen. Sie kränken einander und fühlen sich gekränkt. Was immer in Magdeburg, Dresden und Köln die Fans gekränkt hat und wie immer man ihre Reaktion beurteilt: Liebe ist wie ein Hund. Sie legt sich hin, wo sie will.

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