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Sport: Stéphane Chapuisat, Verteiler

Wie aus dem Torjäger ein Vorlagengeber wurde

Zwei Tage vor dem Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft wird Stéphane Chapuisat 35 Jahre alt. Am Mittwoch, gegen Deutschland, hat er sein 100. Länderspiel für die Schweiz bestritten, und in dieser Saison ist Chapuisat zum ersten Mal in seiner Karriere Torschützenkönig geworden. 23 Tore hat er für Young Boys Bern erzielt. All diese Zahlen sind deshalb wichtig, weil sie eine bemerkenswerte Karriere vermessen.

Chapuisat war 17, als er für Malley zum ersten Mal in der Schweizer Nationalliga B spielte. Sein halbes Leben hat er inzwischen im Profifußball verbracht, und wiederum knapp die Hälfte davon in der Bundesliga. Als der Stürmer 1999 von Borussia Dortmund zurück in seine Heimat wechselte, hat man das hierzulande so gewertet, dass Chapuisat seine Karriere in der gemächlichen Schweiz noch ein bisschen ausklingen lassen wolle. Doch Chapuisat ist immer noch da. Auch mit fast 35 Jahren behauptet er seinen Stammplatz in der Nationalmannschaft.

Seiner Umgebung ist Stéphane Chapuisat immer ein Rätsel gewesen. Wie kann ein Mensch, der so verschlossen ist, so introvertiert und grüblerisch, wie kann der auf dem Fußballplatz genau das Gegenteil sein? Als Stürmer kannte Chapuisat keine Zweifel, sein Spiel lebte von der Intuition. Oder anders ausgedrückt: Chapuisats Wirken war immer nur auf ein einziges Ziel ausgerichtet: Tore zu erzielen.

Den Schweizer an seiner Bestimmung zu hindern war in dessen bester Zeit nahezu unmöglich. Super-Fummler hat man ihn in seiner Heimat genannt, weil er mit seiner Dynamik eine ganz Abwehr stehen lassen konnte. Doch Chapuisat war keiner jener Dribbler, für die das Kringeldrehen Selbstzweck war. Wenn es die Zielgerichtetheit erforderte, hat Chapuisat den Ball auch zu seinen Kollegen abgespielt. Jetzt, mit 34, fummelt der Stürmer nicht mehr. Oder nur noch selten. Sein Spiel hat ein neues Design bekommen. Man könnte auch sagen: Chapuisats Spiel hat sich immer stärker seinem Charakter angenähert.

Chapuisat ist nun mehr Verteiler als Verwerter, er kann den Ball in der Spitze halten, bis seine Kollegen nachgerückt sind. Das alles wirkt überlegt und bedacht. Jörg Stiel, der Kapitän der Nationalmannschaft, sagt: „Du nimmst Chapuisat nicht einfach den Ball ab.“ Immer noch nicht. In manchen Spielen ist der Stürmer zwar kaum zu sehen, aber vielleicht spielt er in der vorletzten Minute den entscheidenden Pass. Oder er steht plötzlich frei am Fünfmeterraum. Und solange seine Gegenspieler fürchten, dass Chapuisat gefährlich werden könnte, solange besitzt er ohnehin seinen Wert für die Schweizer Nationalmannschaft.

Bis zur Fußball-EM stellen wir aus jeder Mannschaft einen Spieler vor, dem wir eine entscheidende Rolle zutrauen. Morgen: Dimitri Sytschew, Russland.

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