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Stiloffensive (10): Lupf mich!

An dieser Stelle schreibt Verena Friederike Hasel im Wechsel mit Esther Kogelboom über die modischen Verirrungen bei der EM. Ab heute will sie sich nicht mehr in Bälle verlieben.

Wenn ich sage, dass ich vom Fußball genauso wenig weiß wie der Fußball von mir, dann klingt das etwas bitter, ist aber wahr. Die leise Bitterkeit rührt daher, dass ich einmal eine sehr missglückte Beziehung zu einem Fußball hatte. Schnell stellte sich heraus, dass wir uns auf Dauer unglücklich machen würden. Und das fing meistens schon morgens an. Dass der Ball nur ungern frühstückte, meist nur (weil rasenartig) ein bisschen Schnittlauch verlangte, damit konnte ich noch leben, obwohl ich das eigentlich sehr mag – zusammen Käsebrot essen und Zeitung lesen, aber wie gesagt, ich arrangierte mich, der Liebe wegen. Geholfen hat es uns nicht, denn der Fußball hatte jede Menge Erwartungen an mich, die ich nicht erfüllen konnte: „Spitzel mich!“ rief er gleich nach dem letzten Happen Schnittlauch, „lupf mich und zirkel mich, sofort!“ Was er bloß von mir wolle, fragte ich. „Schlenz mich in den Winkel, du Pflaume!“, schrie er und da hatte ich dann genug: „Was? Verwöhn mich mal, überrasche mich, wie wäre das denn?“ Nichts anderes als das profanste aller Paarprobleme hatten wir da an unserem Frühstückstisch – wir redeten komplett aneinander vorbei. Nur manchmal verstand ich den Fußball, etwa wenn er in einem Moment verlangte, ich solle ihn streicheln, und im nächsten, ich solle ihn jetzt bitte laufen lassen. Nähe-Distanz-Probleme, dachte ich dann, Bindungsangst, na klar.

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Der mit dem Ball tanzt. Der Italiener Luca Toni und sein Spielgefährte.

© ddp

Doch wenn ich ehrlich bin – auch der Ball gab mir nicht, was ich brauche. Manchmal kränkte er mich sogar rundweg. Weder Ei noch Kirsche wollte ich heißen, und das waren die einzigen Kosenamen, die er kannte. Und dass er seine Briefe an mich, selbst die zärtlichsten nach Nächten voller Leidenschaft, mit „Deine Pille“ unterzeichnete, ärgerte mich wirklich.

Vielleicht fühlte ich mich insgeheim aber vor allem unzureichend, wie eine Prinzessin in einer „Froschkönig“-Variante, die es nicht schafft, Frosch respektive Ball zu verwandeln, trotz aller Ballverliebtheit. Nie schlug ich einen Pass so, dass der Ball Augen bekam, nie ging ich mit meinem Ball so einträchtig spazieren wie Luca Toni das mit seinem tut (s. Bild). Wahrscheinlich muss so eine Liebe früh beginnen, um zu klappen. Große Fußballer erzählen oft, dass sie den Ball schon als Kind mit ins Bett genommen hätten. Ich dagegen hatte damals nur einen braunen Bären namens Dunja.

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