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Sport: Stürmischer Auftakt

Deutschland besiegt Costa Rica in einem turbulenten Eröffnungsspiel mit 4:2

Timo Hildebrand machte sich vermutlich der fahrlässigen Körperverletzung schuldig – am eigenen Körper. Der dritte Torhüter der deutschen Fußball-Nationalmannschaft stand zwei Meter im Feld und wartete nur darauf, dass Philipp Lahm ihm an die Brust hüpfen würde. Für seinen lädierten Rücken war das mit Sicherheit nicht die passende Rehabilitationsübung. Aber in bestimmten Momenten denkt niemand an den Schmerz. Wenn zum Beispiel das erste Tor einer Fußball-Weltmeisterschaft fällt und ein guter Freund es erzielt hat. Gerade fünf Minuten waren gespielt zwischen Deutschland und Costa Rica, als Lahm den Ball vom Strafraumeck zum 1:0 genau in den Winkel des costa-ricanischen Tores zirkelte. Lahms zweites Länderspieltor leitete den geglückten Start der deutschen Mannschaft in die WM im eigenen Land ein. Am Ende, nach einem nicht durchgängig überzeugenden Spiel, hieß es 4:2 (2:1) für den Gastgeber.

Für die Deutschen begann die WM 2006, wie die WM 2002 aufgehört hatte – ohne Michael Ballack. Bundestrainer Jürgen Klinsmann hatte auf einen Einsatz des Kapitäns verzichtet (siehe nebenstehenden Beitrag) und an seiner Stelle Tim Borowski aufgeboten. Der Bremer spielte vornehmlich an der Seite seines Vereinskollegen Torsten Frings vor der Viererkette, das erwünschte Wechselspiel in die Offensive funktionierte nur bedingt. „Man hat gemerkt, dass wir einen Mittelfeldspieler weniger hatten, der mal in die Spitze geht“, sagte Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft.

Die Deutschen begannen das Spiel sehr engagiert, sie gewannen viele Zweikämpfe und drängten den Gegner weit in seine Hälfte. „Die Mannschaft hat hervorragend umgesetzt, was wir uns vorgestellt haben“, sagte Bundestrainer Jürgen Klinsmann. „Sie hat sich ständig bemüht, vorne eine Lücke zu finden.“ Costa Rica kam erst in der zwölften Minute erstmals vor das Tor von Jens Lehmann – und erzielte mit dem ersten Torschuss den Ausgleich. Bei dem Pass in die Spitze hatte der durchweg schwache Außenverteidiger Arne Friedrich die Abseitsstellung aufgehoben, Paulo Wanchope lief allein auf das deutsche Tor zu und überwand Lehmann. „Da haben wir noch ein bisschen was zu üben“, sagte Klinsmann.

Das kollektive Defensivverhalten war wieder einmal die große Schwäche der deutschen Mannschaft. Auch beim zweiten Tor, dem Anschlusstreffer zum 2:3, genügte ein Doppelpass, um den deutschen Abwehrverbund zu überwinden. „Das haben die gut gemacht“, sagte Miroslav Klose, der das deutsche Team an seinem 28. Geburtstag zuvor mit zwei Toren 3:1 in Führung geschossen hatte. Genauso gut hätte er das Verhalten der eigenen Verteidigung schelten können. Vor dem 2:3 griffen zwei Deutsche – Per Mertesacker und Torsten Frings – den ballführenden Spieler an, in ihrem Rücken schlich sich Wanchope davon, und weil der sonst sehr souveräne Schiedsrichter Horacio Elizondo die knappe Abseitsstellung Wanchopes nicht ahndete, konnte Costa Ricas Angreifer erneut Lehmann überwinden. Das ist bemerkenswert für den Stürmer einer Mannschaft, die laut Bierhoff „über 90 Minuten eigentlich gar nicht angegriffen hat“.

Gegen einen Gegner wie Costa Rica sind die Deutschen noch in der Lage, ihre Schwächen in der Abwehr vorne wieder gutzumachen. Klose traf nur fünf Minuten nach dem 1:1 zum 2:1, und nachdem die Costa-Ricaner noch einmal verkürzt hatten, erzielte Frings mit einem Weitschuss den 4:2-Endstand. „Es war sehr schön zu sehen, wie die Mannschaft reagiert hat“, sagte Bierhoff. Noch nie seit 1966, seitdem es offizielle Eröffnungsspiele gibt, hat eine Mannschaft mehr als zwei Treffer erzielt. Die deutsche Mannschaft schaffte gleich doppelt so viele.

Allerdings sah das Bemühen der Deutschen nicht immer so aus, wie Klinsmann sich das eigentlich vorstellt. „Wir haben das Spiel zu breit gemacht“, klagte Miroslav Klose. Weil dem Auftritt die Entschlossenheit fehlte, verbuchten die Deutschen zwar am Ende 63 Prozent Ballbesitz und eine Torschussbilanz von 25:4, im Vergleich dazu fiel das Ergebnis fast bescheiden aus. Kurz nach der Pause gab es vom Münchner Publikum sogar zaghafte Pfiffe. Die Kurve aber reagierte sogleich mit „Deutschland! Deutschland!“-Rufen.

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