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Sport: Sturm und der Drang nach Ingolstadt Warum ein Eishockeystar bald in der Provinz spielt

Berlin - Was der Mann mit der Nummer 19 auf dem Helm veranstaltet, ist sehenswert. Ein Haken hier gelaufen, dann den Kollegen davongesprintet und schließlich den Puck ins obere Toreck geschossen: Es macht Spaß, Marco Sturm beim Training der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft zuzuschauen – bis es ans Rückwärtslaufen geht.

Berlin - Was der Mann mit der Nummer 19 auf dem Helm veranstaltet, ist sehenswert. Ein Haken hier gelaufen, dann den Kollegen davongesprintet und schließlich den Puck ins obere Toreck geschossen: Es macht Spaß, Marco Sturm beim Training der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft zuzuschauen – bis es ans Rückwärtslaufen geht. Da muss Sturm passen, die Belastung ist zu groß. Er kommt an die Bande, im Vorwärtsgang: „Ich bin erst bei 80 Prozent. Mehr kann ich nach drei Wochen nicht erwarten.“

Nach seinem Beinbruch im März, der seine bis dahin erfolgreichste Saison in der National Hockey League (NHL) nach 64 Spielen und 21 Toren bei den San Jose Sharks beendete, ist Sturm noch nicht da, wo er schon war. Beim letzten Gruppenspiel im Rahmen des World Cups am Freitag in Prag kam er beim 2:7 gegen Tschechien nur zu Kurzeinsätzen. Und das war bitter für die Deutschen, die auf ihren besten Techniker angewiesen sind, denn der Stürmer kann das Team mitreißen. Das hat er 2001 bei der WM im eigenen Land bewiesen, als er mit seinen Toren den Aufsteiger bis ins Viertelfinale führte.

Beim World Cup gab es bislang nur Niederlagen für die Deutschen. „Natürlich hätte ich am liebsten alle drei Spiele gewonnen“, sagt Sturm. „Aber man darf nicht vergessen, wer bei Schweden, Finnen oder Tschechen auf dem Eis steht. Das sind die absoluten Eishockey-Stars.“ Eigentlich gehört Sturm auch zu deren Kreis. „Ach, da gibt es doch so viele wie mich“, sagt er und schmunzelt verlegen. Wirbel um seine Person mag er nicht, der bodenständige Bayer mit zwei Millionen Dollar Jahresgage. „Sieben Jahre bin ich jetzt in Kalifornien“, sagt er. „Trotzdem weiß ich, wo ich hingehöre: Nach Bayern, dort ist es am schönsten.“

Bald hat er wohl die Chance, besonders viel Zeit in der Heimat zu verbringen, wenn er seine Ausrüstung abstreift, kommt dieser Tage auf seinem T-Shirt ein erstaunliches Bild zum Vorschein: Das Logo des ERC Ingolstadt. Dass einer wie Marco Sturm mit Shirts eines bayrischen Provinzvereins aus der Deutschen Eishockey-Liga durch die Umkleidekabine läuft, ist aber zu erklären: Der NHL droht ein Streik, weil die Spielergewerkschaft die von den Klubeigentümern geforderte Gehaltsobergrenze, den „Salary Cap“, nicht akzeptiert. Kommt es nächste Woche zu keiner Einigung, wird der Saisonstart in der NHL ausfallen. „Mindestens bis November“, glaubt Sturm. Und Ingolstadt hat sich für diesen Fall bereits seine Unterschrift gesichert. Einen Satz T–Shirts gab es gratis dazu. Mit seiner Herkunft habe die Zusage für den ERC aber nichts zu tun, sagt er. Dann hätte er doch auch zu einem Spitzenverein wie den Eisbären kommen können, wo er im Gespräch war. „Dann hätten die Eisbären auch mit mir reden müssen. Mit Berlin hatte ich keinen Kontakt. Ingolstadt hat sich am meisten um mich bemüht.“ Also wird Sturm nun beim Underdog spielen, und die Rolle eines Außenseiters hat er ja beim World Cup ausgiebig kennengelernt: Abgesehen von Bundestrainer Franzl Reindl glaubt kaum jemand, dass die Deutschen heute beim Viertelfinale in Helsinki (19 Uhr, live auf Premiere) Favorit Finnland bezwingen.

Sturm ist trotzdem optimistisch. Die Zukunft sehe besser aus als die Gegenwart, glaubt er. Die Deutschen hätten das jüngste Team des Turniers. Sturm, der am Mittwoch 26 wird, liegt vom Alter her sogar noch unter dem Durchschnitt (26,9 Jahre), der vor allem von Torwart Olaf Kölzig (34) gehoben wird. Der sagte übrigens vor ein paar Tagen zu Sturm: „Marco, ich schau mir dann in ein paar Jahren eure Siege von der Tribüne aus an.“ Zumindest was den Optimismus betrifft, haben Sturm und seine Kollegen schon einen großen Schritt gemacht.

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