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Stuttgart: Die Rad-WM soll stattfinden

Trotz des Falls Sinkewitz will Stuttgart die Veranstaltung im September ausrichten.

Es gehört zum Wesen des Neuanfangs, das Alte hinter sich zu lassen. Doch wenn die Vergangenheit noch einmal in die Gegenwart zurückkommt, ergibt sich oft die Situation, sich erneut von ihr abgrenzen zu müssen. Der Radsport wird derzeit mit dieser Lage ein ums andere Mal konfrontiert. „Wir sind von der jetzigen Situation gehörig entsetzt“, sagte gestern Stuttgarts Sportbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU). „Aber wir wollen mit der WM nicht das Ende des Radsports, sondern die Wende.“

In Stuttgart sollen im September die Radweltmeisterschaften stattfinden, und ein weiterer Dopingfall, auch wenn es der eines deutschen Fahrers und auch noch beim Vorzeigerennstall gegen Doping ist, soll daran nichts ändern. Schon in der vergangenen Woche hatten Eisenmann, Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, der Präsident des Radsport-Weltverbandes Pat McQuaid, der deutsche Verbandspräsident Rudolf Scharping und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble sich in mehreren Gesprächen auf die Einrichtung einer „Steuerungsgruppe“ geeinigt. Sie soll eine dopingfreie WM sicherstellen. Wie genau sie das machen will, ist aber noch nicht ausformuliert. Das Innenministerium hält derzeit noch 150 000 Euro öffentliche Fördermittel für die WM zurück. Die WM soll ausgetragen werden, ist aber heute auch Thema im Stuttgarter Gemeinderat.

Bei der zweiten großen deutschen Radsportveranstaltung in diesem Jahr gibt es bereits Erfahrungswerte darüber, wie es ist, im Schatten des Dopings zu fahren. Lange wurde vor einem Jahr gezittert, ob es etwas wird mit den wichtigen Fernsehübertragungen. Die ARD zögerte, ob sie nach dem Skandal bei der Tour de France im vergangenen Juli im August mit der Deutschland-Tour auf Sendung gehen sollte. Schließlich flimmerte dann doch über die Bildschirme, wie der Vorzeigeprofi gegen Doping, Jens Voigt, das Gelbe Trikot gewann. Die Deutschland-Tour ( Sieger 2004 war übrigens Patrik Sinkewitz) fuhr laut ARD „auf Bewährung“.

Vor einem Jahr musste das Rennen sicherstellen, dass keine in der „Operacion Puerto“ belasteten Fahrer am Start waren. Und jetzt? Es sieht nicht gut aus für die Deutschland-Tour, deren Direktor Kai Rapp gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war. Aber ARD und ZDF sind aus der Berichterstattung der großen Tour de France ausgestiegen, weil ein einzelner Fahrer eine positive A-Probe bei einem Dopingtest aufweist.

Davon wusste dieser gestern noch gar nichts, als er sich auf seine Operation in einem Hamburger Krankenhaus vorbereitete. Das Einschreiben mit der Nachricht hatte Patrik Sinkewitz gar nicht erreicht, weil er nicht zu Hause war. Nach seinem Zusammenprall mit einem Zuschauer bei der Tour de France, bei dem sich der 26-jährige Profi unter anderem eine Mittelgesichtsfraktur zuzog, gab es gestern für Sinkewitz Wichtigeres.

Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) wird jetzt allerdings versuchen, ihm seinen Brief noch einmal formell ans Krankenbett zu übermitteln. Denn erst wenn Sinkewitz offiziell über seine positive A-Probe in Kenntnis gesetzt ist, beginnt die fünftägige Frist, innerhalb der er entscheiden muss, ob er die Öffnung der B-Probe beantragt. Da Sinkewitz das Recht hat, bei der Öffnung anwesend zu sein, will der BDR gegebenenfalls aber Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand nehmen. Es könnte also bis nach dem Ende der Tour de France dauern, bis das Sportgerichtsverfahren anläuft, das Sinkewitz droht. ARD und ZDF haben ihre Übertragungen „bis zur Klärung des Falles ausgesetzt“. Diese Klärung dürfte bis nach dem Ende der Tour de France dauern.

„Es ist sehr selten, dass die B-Probe von der A-Probe abweicht“, sagt Martin Wolf, der Generalsekretär des BDR. „Für den Radsport ist dieser Fall natürlich ein Rückschlag. Aber er ist auch ein Beweis dafür, dass gezieltere Kontrollen Sinn machen.“ Wolf hatte auch die Stadt Stuttgart und das Innenministerium von dem Fall in Kenntnis gesetzt, die so vor Sinkewitz selbst von dem Imageschaden für die WM erfuhren.

„Man kann nicht engmaschiger kontrollieren, um Doper zu erwischen, und wenn man das geschafft hat, als Konsequenz aus den Veranstaltungen aussteigen. Das wäre für einen sauberen Radsport kontraproduktiv“, sagt Wolf.

So bleibt den großen Radsportveranstaltungen in Deutschland nur übrig, mit dem zu leben, was Vergangenheit sein soll und jetzt doch wieder Gegenwart ist. Und weiter den ständigen Neuanfang auszurufen. Das Motto der Deutschland-Tour im August lautet: „Bleib sauber. Live clean.“

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