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Stuttgart

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Stuttgart: Ein falsches Vorbild

Die Krise nach einem guten Jahr: Stuttgart erlebt, was der HSV hinter sich hat. Armin Veh muss umdenken, um das Ruder rumzureißen. Allerdings wird mit jedem Spieltag die Zeit knapper.

Von Karsten Doneck, dpa

Aus der Nordkurve schallte den Fußballprofis des VfB Stuttgart höhnischer Gesang entgegen. „Und ihr wollt Deutscher Meister sein?“, fragten die Fans des Hamburger SV im Chor spöttisch nach. Da waren gerade mal sechs Minuten gespielt, der HSV führte erst 1:0. Aber die Kundschaft in Hamburgs Arena besaß ein feines Gespür. Denn meisterlich war der Auftritt der Stuttgarter auch in den restlichen 84 Minuten nicht. Nach der 1:4-Pleite fasste Nationalstürmer Mario Gomez vom VfB seine Gefühle – vielleicht ein wenig zu melodramatisch – zusammen: „Das war heute einer der bittersten Tage in meiner Karriere.“

Bittere Tage erlebt der VfB Stuttgart in dieser Saison häufiger, als ihm lieb ist. Im Vorjahr noch der von allen gehätschelte Überraschungs-Meister, trennt die Mannschaft von Trainer Armin Veh nach einem knappen Saisondrittel nur noch ein Punkt von einem Abstiegsplatz.

Die Lage der Stuttgarter ähnelt der des HSV vor einem Jahr. Auch die Hamburger hatten eine erfolgreiche Saison 2005/06 hinter sich, gipfelnd in der Qualifikation für die Champions League. Doch dann gab es Fehler in der Transferpolitik: Leistungsträger wie van Buyten, Boulahrouz und Barbarez wurden abgegeben und damit die innerbetriebliche Hierarchie zerstört. Den VfB verließen nach dem Gewinn der Meisterschaft in diesem Sommer unter anderem Streller, Tomasson und Torwart Hildebrand. Gerade der ist durch den 2,3 Millionen Euro teuren Raphael Schäfer vom 1. FC Nürnberg nicht gleichwertig ersetzt worden. Schäfer strahlt keine Ruhe auf seine Vorderleute aus, in Hamburg reagierte er bisweilen hektisch in kritischen Situationen.

„Wir sind in einer schwierigen Lage“, klagt auch Armin Veh über die aktuelle Personalnot. Verletzt fehlten Boka, Magnin, Delpierre, Hitzlsperger und da Silva gegen den HSV, Kapitän Meira sitzt eine Rotsperre ab. Deswegen kam in der VfB- Abwehr David Pisot aus der Regionalliga-Elf der Stuttgarter zu seinem Bundesliga-Debüt. Richtig glücklich machte Pisot der Einsatz nicht. „So eine Premiere ist schon bitter, ich bin enttäuscht“, sagte er.

„Wir müssen jetzt ganz schnell etwas ändern, und zwar ohne Wenn und Aber“, fordert Mittelfeldspieler Silvio Meißner. Wie er sich das vorstelle, verriet Meißner nicht. Solche Überlegungen sind auch Sache des Trainers. Veh, gerade erst zum Trainer des Jahres gekürt, fallen zur Beendigung der Misere auch nur noch die üblichen Standardsprüche ein. „Wir brauchen schnell ein Erfolgserlebnis“, sagt er.

In noch einem Punkt gibt es Parallelen zwischen dem HSV in der vorigen Saison und dem VfB Stuttgart in dieser Spielzeit. Nach einem Drittel der Spielzeit gelobte der kriselnde HSV im vergangenen Jahr, Trainer Thomas Doll die Treue zu halten. Auch Armin Veh steht derzeit in Stuttgart nicht zur Debatte. „Wir haben eine Krise“, bekennt Sportdirektor Horst Heldt, weist aber auch auf die Zuständigkeiten dafür hin: „Bei uns rufen einige Spieler ihre Leistung nicht ab.“ Nur: Doll wurde dann beim HSV im Februar entlassen, mit der Mannschaft ging es fortan rapide aufwärts.

Wenigstens die Fans des VfB Stuttgart haben ihren Humor noch nicht verloren. Als Serdar Tasci in Hamburg in der 73. Spielminute per Kopf das 1:4 für den VfB schaffte, riefen sie: „Auswärtssieg! Auswärtssieg!“

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