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Sport: Stuttgart - Schalke: Schalke trauert

Rudi Assauer ging als einsamer Mann. Die Sonne blinzelte noch eben über das Dach des Daimlerstadion.

Rudi Assauer ging als einsamer Mann. Die Sonne blinzelte noch eben über das Dach des Daimlerstadion. Kleine Zigarrenwölkchen schwebten um sein Gesicht wie Trabanten, die einen Planeten umfliegen. Leer wirkte der Blick des Schalker Managers. "Normalerweise ist das Ding gelaufen", hatte er gesagt. "Fußball ist grausam, aber wir nehmen das sportlich hin." Zehn Sekunden waren sie entfernt von Meisterschaft und Lorbeer, von Sehnsüchten, die ihre Fans mit einer wahren Völkerwanderung unterstützen wollten und lange Zeit fast flehentlich herbei sangen. Lange hatten die Schalker schon den Titel gefeiert und dabei die Gefahr vergessen, die aus dem Süden der Republik drohte. Krassimir Balakow hatte mit seinem Tor in der 90. Minute zum 1:0 Sieg der Stuttgarter alles zerstört und den Schwaben den Klassenerhalt beschert. Ein Tor wie ein Donnerschlag. Ein Punch direkt auf die Nase. Ein Schuss mit links. Unhaltbar für den überragenden Oliver Reck.

Zum Thema Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Tipp-Spiel: Wer wird Deutscher Meister? Zum Thema Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Tipp-Spiel: Wer wird Deutscher Meister? Und sie selbst hatten noch mehr dazu beigetragen, dass alle Träume platzten. Diese Wundermannschaft hatte im entscheidenden Moment gespielt, als gelte es einen Nichtangriffspakt auf dem Fußballfeld möglichst authentisch darzustellen. "Wir haben es heute nicht verdient, zu gewinnen", sagte Assauer und ärgerte sich, "dass wir nicht einen Punkt geholt haben, mit dem wir heute sicherer Zweiter gewesen wären". Vielleicht ist das Verhalten der Schalker ein wenig mit Psychologie zu erklären. Selbstschutzmechanismen greifen, wenn ein ganzer Verein derart gegen die Wand fährt. In Sekunden taten viele der Schalker so, als habe man immer nur Zweiter hinter Bayern München werden wollen. "Klar sind wir enttäuscht, aber wir haben eine riesen Saison gespielt", flüsterte Andreas Möller. "Ich bin sicher, wir schaffen das noch", sagte Andreas Müller, der Ex-Profi, der als Kronprinz hinter Manager Rudi Assauer aufgebaut werden soll. Es war nicht mehr als die Flucht vor der Wirklichkeit. "10 bis 15 Prozent", sagte Assauer knapp, als es um die Prozentrechnungen ging, die auftauchen, wenn fast alles vorbei ist. Und wie die Schalker spielten, das konnte Torjäger Ebbe Sand am besten ausdrücken: "Wir haben heute ein bisschen versucht, nach vorne zu spielen". Die meisten rannten mit ratlosen Gesichtern davon. Eine ganze Mannschaft flüchtete von der Stätte der Schmach. "Wir wollten hier gewinnen", sagte Trainer Huub Stevens, weil das keiner so recht glauben wollte. Den Eindruck vermittelten seine Spieler jedenfalls nicht. Sie hätten gewusst, wie schwierig das ist. "Aber wir konnten gegen eine so defensive Mannschaft nicht zu unserem Spiel finden", so Stevens. Die Stuttgarter also waren schuld. "Dass so etwas auch noch mit so einem Tor belohnt wird, das ist doch unglaublich", ergänzte Mike Büskens, der wie alle mit seinen Analysen tief im Frust herum schwamm. Wie Stevens. Der rannte davon und kauerte auf der Baustelle Daimlerstadion in einem dunklen Gang eine Minute zwischen Zementsäcken und Kabelsträngen, dann brachen die Gefühle aus ihm heraus, und er trat gegen die nächste Eisentür.

Krassimir Balakow war das alles ziemlich wurscht. "Jetzt heißt es genießen, genießen und dann nie wieder so etwas - 99 Prozent dieser Rettung gehen auf das Konto von Felix Magath und Manager Rüssmann, ein Prozent auf das der Mannschaft."

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