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Setz’ dich. VfB-Stürmer Vedad Ibisevic (rechts) und Johannes Geis vom FSV Mainz 05 beim Plausch unter Gegnern.

© imago/Pressefoto Baumann

Stuttgart vor dem Bayern-Spiel: Umbruch ohne Wandel

Der VfB Stuttgart steckt vor dem Bundesliga-Nachholspiel am Mittwochabend im Mittelmaß fest. Trainer Thomas Schneider bringt die Verjüngung nur zaghaft voran.

Seine Familie weiß Thomas Schneider gut aufgehoben, weit weg von allem, was mit dem VfB Stuttgart und seinem Trainerjob zu tun hat. Die Schneiders leben im bayrischen Straubing. „Da spielt der VfB keine Rolle“, sagt Schneider und grinst. Sein Sohn David sitzt im Gymnasium in einer Klasse voller Bayern-Anhänger. „Der hat seine Ruhe, das ist Bayern-Land“, berichtet der Coach. Beim ehemaligen U-17-Trainer des Stuttgarter Nachwuchses ist das anders. Seine Zweitwohnung liegt in Leonberg: mitten im VfB-Land.

Der „Aufbruchmodus“, in den der 41-Jährige alle Beteiligten im vergangenen August versetzte, als er nach dem B-Jugend-Meistertitel befördert wurde und viele den Schritt für mutig hielten, ist ins Stocken geraten. Einige Kritiker glauben vor dem Nachholspiel gegen Bayern München am heutigen Mittwoch (20 Uhr), Schneider und den VfB habe der Mut mittlerweile verlassen. Jünger, mutiger, dynamischer sollte der Klub werden. Beim 1:2 gegen Mainz saßen die Talente Timo Werner (17) und Rani Khedira (20) auf der Bank, der VfB verlor und wurde ausgepfiffen. Auch sinkt der Zuschauerschnitt weiter – die Schwaben liegen mehr als 10 000 Zuschauer unter ihren Erwartungen.

Beim Neujahrsempfang am 20. Januar war ein leichtes Grummeln der Partner und Sponsoren registriert worden, die einen klaren Plan und beherzte Taten forderten. Die anvisierte Auslagerung der Profis aus dem Gesamtverein kommt nicht voran, es fehlt ein strategischer Partner, der Geld investiert. Ohne den macht es wenig Sinn, vor die Mitglieder zu treten. Ein großer Schuldenberg plagt den VfB zwar nicht, aber zuletzt wurde ein Minus von sechs Millionen Euro verkündet. Nun fürchten manche, der VfB würde in seinem Umbruchjahr den Anschluss verlieren, wenn Klub und Trainer nicht mehr Mut zeigen. Teams wie Augsburg, Mainz, Hertha und Mönchengladbach sind vorbeigezogen.

Präsident Bernd Wahler („Ziel ist in einigen Jahren die Champions League“) hat grundsätzliche Probleme in der Vergangenheit ausgemacht. Nach den Transfers der im eigenen Nachwuchs entwickelten Mario Gomez und Sami Khedira, die 49 Millionen Euro einbrachten, sei „etwas wild investiert worden“. Nicht in Nachwuchskicker, sondern in erfahrenen Durchschnitt ohne große Perspektive. Weil Wahler mittlerweile den Eindruck hat, die Struktur des Klubs verändern zu müssen, werden baldige Personalwechsel auf der Direktorenebene erwartet.

Dem einst ausgegebenen Ziel, einen einstelligen Tabellenplatz zu erobern, bringt das Trainer Schneider nicht näher. Schneider musste sich den Vorwurf gefallen lassen, er habe sich mit dem Wechsel zum 4-4-2-System verzockt. Sein Plan gegen Mainz, zwei Spitzen wie Mohammed Abdellaoue und Vedad Ibisevic aufzubieten, scheiterte. Gegen Bayern München wird er sich korrigieren.

Man dürfe trotz der bescheidenen Ergebnisse nicht „alles schwarzmalen“, mahnt Manager Fredi Bobic. „Wir werden unsere Linie, noch stärker auf Nachwuchs zu setzen, nicht verlassen.“ Viel Geduld scheint dafür in Stuttgart nicht vorhanden. Viele haben den Eindruck, der Strukturwandel werde zu halbherzig vollzogen. Bobic setzte dem gestern den Transfer eines Nachwuchsspielers aus Südamerika entgegen. Der 18 Jahre alte Mittelfeldspieler Carlos Gruezo weilte zum medizinischen Check im Klubzentrum. Am 6. März, seinem 18. Geburtstag, soll Stürmertalent Werner einen langfristigen Profivertrag bekommen, mit dem Rani Khedira schon ausgestattet wurde. „Wir haben oft eine der jüngsten Mannschaften der Liga auf dem Rasen", betonte Thomas Schneider.

Nur fehlen positive Ergebnisse und „die Gier, ein Spiel unbedingt gewinnen zu wollen“ (Bobic). Nach dem Spiel gegen Bayern München, bei dem Franck Ribéry und Arjen Robben kurzfristig ausfallen, muss der VfB zum Tabellenzweiten Bayer Leverkusen und könnte weiter abrutschen. Keine gute Konstellation für Umbrüche, die Junge nach oben spülen sollen. Im Umfeld wird bezweifelt, ob Schneider den Anforderungen gewachsen ist. Eine Trainerdiskussion aber wollen Wahler und Bobic unbedingt verhindern. Schneider infrage zu stellen, käme einem endgültigen Scheitern des zaghaft begonnenen Wandels gleich.

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