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Sport: Suche Pass, biete Medaille

Viele Kenianer laufen für andere Länder – in ihrer Heimat gibt es deshalb Ärger

Auch die Ölscheichs sind inzwischen im Rennen um Gold. Vor zwei Jahren hat Katar zum ersten Mal eine Medaille bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften gewonnen. Damals triumphierte Saif Saaeed Shaheen im 3000-Meter-Hindernisfinale. Am Dienstag hat er dieses sportliche Kunststück in Helsinki wiederholen können. Einen Tag später gab es in Finnland die erste Medaille in der WM-Geschichte für Bahrain. Rashid Ramzi gewann das 1500-Meter-Finale. Doch stammen diese Sieger weder aus Katar noch aus Bahrain. Shaheen war vor zwei Jahren noch Kenianer und hieß Stephen Cherono, der Marokkaner Ramzi bekam 2002 die Staatsbürgerschaft Bahrains. Über ein Dutzend Athleten sind in Helsinki in den Langstreckenläufen für Katar und Bahrain am Start, vor allen anderen Nationen sind es ehemalige Kenianer. Mit Prämien und Renten wurden sie in die Golfstaaten gelockt.

„Durch Cheronos Wechsel nach Katar begann die Welle von Abwanderungen. Wenn er nicht gegangen wäre, wäre es vielleicht nie dazu gekommen“, erklärt der Präsident des kenianischen Leichtathletik-Verbandes, Isaiah Kiplagat, der auch Council-Mitglied beim internationalen Leichtathletik-Verband IAAF ist.

Ursprünglich ging es bei Stephen Cherono nicht einmal um große Summen. Die Kataris hatten dem besten kenianischen Hindernis- und 5000-Meter-Läufer eine monatliche Rente von 1000 Dollar auf Lebenszeit versprochen. Inzwischen ist aber offenbar wesentlich mehr Geld im Wechselspiel. „Ein Weltklasseathlet wird aber auch als Kenianer viel Geld verdienen“, sagt Kiplagat. Angesichts der hohen Leistungsdichte in Kenia ist es allerdings enorm schwierig, überhaupt die Qualifikation für eine internationale Meisterschaft zu erreichen. Diese Problematik und finanzielle Nachteile nennt Renato Canova als Wechselgründe für Athleten. Der Italiener arbeitete zunächst als Trainer mit einer Gruppe Kenianer, darunter war auch Stephen Cherono. Inzwischen ist Canova Chefcoach von Katar.

Rund 40 kenianische Athleten sind dem Beispiel von Saif Saaeed Shaheen gefolgt. Sie starten entweder für Katar oder den Bahrain. Die IAAF hat daraufhin reagiert und vor kurzem die Sperrzeit für Nationenwechsel von zwei auf drei Jahre verlängert. Doch diese Regelung alleine wird das Problem nicht lösen können. Die Läufer dürfen dann zwar nicht bei internationalen Meisterschaften starten, wohl aber bei lukrativen Meetings und Straßenläufen.

Während Kenias Staatspräsident Mwai Kibaki vor wenigen Tagen die Läufer seines Landes zur Treue gegenüber ihrem Heimatland aufforderte, hat Sportminister Ochillo Ayacko vorgeschlagen, die abtrünnigen Athleten nicht mehr in Kenia trainieren zu lassen. Die meisten leben nach wie vor in der früheren Heimat und trainieren wie Saif Saaeed Shaheen in der Läufer-Stadt Eldoret im kenianischen Hochland. „Aber das geht nicht, wir sind ein freies Land und können nicht die Einreise stoppen“, sagt Isaiah Kiplagat. „Wir können das Problem nur über die Erziehung und die Ausbildung an den Schulen lösen“, sagt der Verbandspräsident. Und er erklärt, dass sich Kenia in Einzelfällen nicht unbedingt gegen einen Nationenwechsel sträube. „Allerdings nur, wenn das auf legalem Wege passiert.“

Die derzeitige Praxis prangert Isaiah Kiplagat an. „Die Armut ist unser größtes Problem.“ In Schulen im westlichen Hochland Kenias, wo so gut wie alle kenianischen Topläufer herkommen, werden, so Kiplagat, 16-jährige Jungen abgeworben. „Sie stammen aus armen Familien“, sagt der Präsident des kenianischen Leichtathletik-Verbandes, „wenn man ihnen einen 1000-Dollar-Schein zeigt, dann haben sie so viel Geld noch nie gesehen. Selbst für zehn Dollar würden sie sagen: Ja, ich komme mit.“

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