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Wie ein gestrandetes Ufo. Das Mbombela-Stadion von Nelspruit.

© Jansen

Südafrika nach der WM: Im Tal des weißen Elefanten

Das Stadion von Nelspruit symbolisiert wie vielleicht kein zweites Bauwerk all den Unsinn, den Südafrika im Zusammenspiel mit dem Fußballweltverband Fifa zur WM 2010 angerichtet hat.

Mazola Kathlego wohnt nur 100 Meter vom Stadion entfernt, mit seinen Freunden spielt er oft im Schatten der Tribünen Fußball. Auf einem kleinen sandigen Feld, zwei Stöcke als Torpfosten. Vor vier Jahren, während der Vorbereitungen für die WM in Südafrika, ist er oft heimlich auf der Baustelle herumgeklettert, von innen hat er die Arena von Nelspruit aber noch nie gesehen. Heute ist Mazola zwölf Jahre alt und großer Fußballfan, beim aktuellen Afrika-Cup würde er gerne mal ein Spiel im Mbombela Stadium vor seiner Haustür besuchen. „Geht leider nicht“, sagt der Junge. Der Eintritt kostet umgerechnet gut vier Euro, so viel haben die Menschen hier nicht übrig, die Spiele in Nelspruit finden vor fast leeren Rängen statt. Und auch mit der Weltmeisterschaft verbindet Mazola keine guten Erinnerungen. „Verdammte WM“, sagt Mazola.

Das Stadion wurde damals sieben Kilometer außerhalb der Innenstadt von Nelspruit gebaut, mitten im Township Mataffin. Die Hütten der Menschen wurden abgerissen, auch Mazolas damaliger Kindergarten, der einer Grundschule angeschlossen war, musste weg. Die weiterführende Schule seiner drei Jahre älteren Schwester Amanda wurde ebenfalls geräumt, dort zog das Büro der Baufirma eint.

Die Leute erhielten ein paar Euro Entschädigung, bauten sich neue Hütten weiter den Berg hinauf. Mazola und seine Freunde wurden monatelang in eilig aufgestellten Containern unterrichtet.

Die Menschen von Mataffin schluckten das damals, schließlich erhielten viele von ihnen tatsächlich einen Job auf der Stadionbaustelle. Außerdem hieß es, es werde nicht nur Südafrikas Wirtschaft angekurbelt, sondern es entstünden für fußballbegeisterte Kinder wie Mazola bald auch Fußballvereine, mit richtigen Jugendmannschaften, die auf Rasenplätzen spielen würden. Nichts von all dem ist passiert. Seit das Stadion fertig ist, liegt die Arbeitslosenquote von Mataffin mit seinen rund 10 000 Einwohnern wieder bei 40 Prozent, wie zuvor. Einen Fußballverein gibt es nicht. Einen schönen Rasenplatz zum Trainieren schon gar nicht.

Nelspruit liegt ganz im Osten Südafrikas, etwa 370 Kilometer von Johannesburg entfernt. In der Umgebung werden Gold und Mangan abgebaut, die Stadt fungiert für Touristen als wichtiges Eingangstor zum Krüger-Nationalpark. Das milde Klima ermöglicht gute Landwirtschaftserträge, die Stadt wächst pausenlos, allein in den letzten sechs Jahren verdoppelte sich die Einwohnerzahl auf derzeit geschätzte 250 000. Wie ein Ring ziehen sich die Blechhütten der stetig wachsenden Townships rund um die Stadt. Und die WM-Arena liegt wie ein riesiges gelandetes Ufo im grünen Talkessel.

Nicht einmal Touristen kommen

Als das Stadion gebaut wurde, musste der Kindergarten abgerissen werden.
Als das Stadion gebaut wurde, musste der Kindergarten abgerissen werden.

© Jansen

Der Stadionbau hier symbolisiert wie vielleicht kein zweites Bauwerk all den Unsinn, den Südafrika im Zusammenspiel mit dem Fußballweltverband Fifa zur WM 2010 angerichtet hat. 100 Millionen Euro verschlang der Bau der 41.000-Zuschauer-Arena. In einer Region, in der es bis heute nicht geschafft wurde, die Bevölkerung komplett mit fließendem Wasser und Elektrizität zu versorgen. Wo Fußball traditionell nie eine Rolle gespielt hat. Wo sich der weiße Teil der Bevölkerung nur für Rugby und Cricket interessiert. Wo es im Fußball noch nicht einmal einen Zweit- oder Drittligaverein gibt.

Insgesamt rund sechs Milliarden Euro hat die WM Südafrika gekostet. Versprochen wurde dem Land ein riesiger Wirtschaftsschub, der ausgeblieben ist. Der Tourismus entwickelt sich seit 2010 sogar rückläufig, in Nelspruit registrierte die Hotel- und Safaribranche seither einen Umsatzrückgang von rund 30 Prozent. Das Weltturnier sollte zudem Südafrikas Fußball voranbringen. Von Grund auf sollten neue Strukturen nach europäischem Vorbild geschaffen werden. Mit Fußballvereinen, in denen schon die Kleinsten das Spiel lernen, und mit einem flächendeckenden System von Jungen- und Mädchenligen, die das Land am Kap zum fußballerischen Vorreiter des ganzen Kontinents pushen sollten.

Mazola und seine Kumpel spielen heute noch genauso auf ihrem kleinen staubigen Platz vor dem Stadion. Im Township gibt es viele solcher Jungengruppen, sie alle spielen ohne Anleitung, ohne Trainer. Wie vor sechs Jahren auch. Das teure Stadion ist zu einem klassischen „weißen Elefanten“ geworden, wie nach Großereignissen ungenutzte Arenen genannt werden: Das Mbombela-Stadion steht an mindestens 350 von 365 Tagen im Jahr leer.

Zuletzt waren die Betreiber stolz, dass die Arena für ein Konzert der vor 20 Jahren populären britischen Reggae-Gruppe UB40 und als Zielbereich für einen Halbmarathon genutzt wurde. Derzeit laufen Verhandlungen mit dem Rugbyteam aus dem 150 Kilometer entfernten Witbank. Die „Pumas“ sollen ihre Heimspiele ins Stadion von Nelspruit verlegen. Vielleicht klappt es. Wenn nicht, bleibt die Stadt auch weiterhin allein auf den Unterhaltskosten von rund 450 000 Euro jährlich sitzen.

Und was ist mit der versprochenen Fußballentwicklung Südafrikas? „Wir sind auf dem Weg“, sagt Danny Jordaan, 2010 Chef des südafrikanischen WM-Organisationskomitees. Zu Beginn des Afrika-Cups stellten Jordaan und Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke stolz den „Legacy Trust“ vor, eine Ende 2010 ins Leben gerufene Stiftung zur nachhaltigen Fußballentwicklung Südafrikas. Rund 70 Millionen Euro vom Fifa-WM-Ertrag flossen damals in diesen Fonds, davon sind heute immer noch 45 Millionen übrig.

Wo gehen die Gelder hin?

Für 25 Millionen Euro kaufte Südafrikas Fußballverband gleich nach der WM Kleinbusse, Transporter und PKW, die an die regionalen Fußballverbände gingen. „Das Transportproblem war in einem so riesigen Land wie Südafrika entscheidend für die Hemmung der Entwicklung“, sagt Jordaan. Ins Schlingern kommt der Funktionär, als er erklären soll, warum von dem Geld auch insgesamt 26 brandneue Edellimousinen an Funktionäre des südafrikanischen Fußballverbandes gingen. „Rund die Hälfte aller Mitglieder unseres Exekutivkomitees sind arbeitslos. Sagen Sie mir mal, wie die vernünftig für den Fußball arbeiten sollen, wenn sie kein Fahrzeug haben?“, antwortet Jordaan.

5,5 Millionen Euro sollen jetzt aber tatsächlich in die Entwicklung der nationalen Fußballbasis fließen. Nachdem die drängendsten Aufgaben identifiziert wurden, soll in Trainer- und Schiedsrichterausbildung, den Aufbau einer U-13- und U-15-Liga, in den Mädchen- und Hallenfußball investiert werden. „Das ist auch dringend notwendig“, sagt Michael Nees, ein deutscher Fußballexperte, der während der letzten vier Jahre als Entwicklungshelfer in Südafrika tätig war und bei der Ausbildung von Trainern und Schiedsrichtern geholfen hat. „Aber im Jugendfußball liegt noch einiges im Argen“, fügt Nees hinzu.

Seiner Meinung nach wäre es die beste Voraussetzung für eine positive Entwicklung, wenn die südafrikanische Nationalmannschaft Bafana Bafana endlich mal wieder positive Schlagzeilen produzieren würde. Der Anfang mit dem Einzug ins Viertelfinale des Afrika-Cups ist schon mal geschafft.

Am Sonntag wird im Stadion von Nelspruit das Viertelfinale Burkina Faso gegen Togo ausgetragen, auch ein Halbfinale findet noch vor Mazolas Haustür statt. Danach werden er und seine Freunde wohl wieder für lange Zeit die einzigen sein, die in der Township Mataffin dem Ball nachjagen.

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