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Josep Guardiola traf bisher als Barça-Trainer in 15 Spielen auf Jose Mourinho (mit Inter Mailand und Real Madrid). Der Spanier kommt dabei auf auf sieben Siege, fünf Unentschieden und drei Niederlagen.

© AFP

Supercup Bayern - Chelsea: Guardiola und Mourinho im Duell zwischen Poesie und Macht

Josep Guardiola und José Mourinho sind durch innigste Feindschaft vereint. Am Freitagabend kommt es beim europäischen Supercup in Prag zum Wiedersehen der beiden Trainer, die sich ähnlicher sind, als man denkt.

Josep und José. Irgendwann mussten Josep und José sich ja mal wiedersehen. Also dann: heute Abend. Auf neutralem Terrain, in Prag, wo die Uefa ihren Super Cup ausspielen lässt. Einen Pokal, den es schon seit 1972 gibt, wer hat ihn doch gleich im vergangenen Jahr gewonnen? Auch diesmal hätte sich wahrscheinlich niemand ernsthaft interessiert für dieses Duell zwischen den Siegern der beiden europäischen Klubwettbewerbe, gäbe es da nicht eine sehr spezielle Besetzung auf den Trainerbänken. Es treffen aufeinander: Josep Guardiola von Bayern München und José Mourinho vom FC Chelsea, vereint durch größten Erfolg und innigste Feindschaft.

Guardiola, 42 Jahre alt, genießt nach 14 Titeln in vier Jahren beim FC Barcelona weltweit höchste Wertschätzung. Mourinho, 50, hat mit dem FC Porto und Inter Mailand die Champions League gewonnen, dazu nationale Meisterschaften in England, Italien und Spanien.

Guardiola gegen Mourinho, das ist Poesie gegen Macht, Schönheit gegen Zweckmäßigkeit. Da passt es ganz gut, dass Bayern und Chelsea in Prag aufeinandertreffen. Prag zählt sich neben Rom oder Paris oder Barcelona gern zu den schönsten Städten der Welt. Doch gespielt wird heute Abend in der Eden-Arena im Stadtteil Vrsovice, der Lower Eastside von Prag. Dort ragt sozialistischer Beton in den Himmel, und das ist, um im Bild zu bleiben, Mourinho-Architektur.

Der Portugiese steht für das auf reine Effizienz bedachte Streben seines Arbeitgebers nach Erfolg. Chelseas Besitzer Roman Abramowitsch hat sich mit dem Gewinn der Champions League im Sommer 2012 einen Traum erfüllt. Weil er aber auch geliebt werden will, hätte er seinem Klub gern auch ein neues Image gekauft. Der Trainer Josep Guardiola hätte es ihm ganz allein beschert, aber der nahm erst einmal ein Sabbatical in New York und entschied sich dort für München. Abramowitsch schwenkte um auf die bewährte Lösung mit Mourinho und akzeptierte damit, dass Chelsea auf absehbare Zeit ein seelenloses Milliardärs-Spielzeug bleibt. Und die Bayern ...

Sollte nach der glanzvollen Champions-League-Kampagne mit dem finalen Sieg in Wembley noch jemand gezweifelt haben: Spätestens seitdem Guardiola in München sein Werk verrichtet, gehört der früher als eiskalt empfundene FC Bayern zu den Guten. Josep Guardiola ist der Nelson Mandela der Fußball-Welt und José Mourinho der George W. Bush. Guardiola wird von allen zärtlich Pep genannt. Gibt es einen Kosenamen für Mourinho? In England sprechen sie von ihm als „the special one“, aber darin liegt keine Zärtlichkeit und reichlich Unbehagen. Guardiola und Mourinho werden die ihnen zugedachten Klischees bis an das Ende ihrer höchst erfolgreichen Karrieren bedienen. Und sind sich doch ähnlicher, als es nach außen den Anschein hat.

Beide stehen als Idealtypus für den auch äußerlich smarten Fußballtrainer, den sich keiner mehr im Trainingsanzug vorstellen kann. Beide ziehen sie eine unsichtbare Mauer um ihre Mannschaften und erklären den Corpsgeist zum höchsten Gut jenseits der Viererkette. Und beide leben konsequent von und nach ihrem Image, so sehr es sich von dem des anderen auch unterscheiden mag.

Zwingende Konsequenz ist eine öffentliche Feindschaft, ausgelebt über die klassische Rivalität ihrer ehemaligen Klubs Real Madrid und FC Barcelona. Legendär ist die Saison 2010/11, es war die erste von Mourinho in Madrid, als er sich gleich fünfmal mit Guardiola duellierte. Am Ende gewann Barça Champions League und Meisterschaft. Für Real blieb nur der Gewinn der vergleichsweise unbedeutenden Copa del Rey und die Erkenntnis, dass es schwierig werden könnte mit Mourinho, der alle paar Wochen vermeintliche Verschwörungen aufdeckte und immer neue Brände legte.

Mourinhos Sympathisanten sehen seine so extrovertiert vorgelebte Arroganz und Angriffslust als Teil seiner Strategie, eine Wagenburg um seine Mannschaft zu errichten und allen Druck auf sich zu beziehen. Zlatan Ibrahimovic, der selten jemanden lobt außer Zlatan Ibrahimovic, hat bei Inter Mailand unter Mourinho gespielt und über diesen gesagt: „Für ihn hätte ich getötet!“

Sein Schweigen wird Guardiola seit jeher als weise Antwort ausgelegt

Fußball ist für José Mourinho Sozialdarwinismus auf Rasen. Siegen oder untergehen. Kritiker tun sich schwer, im Spiel der von ihm betreuten Mannschaften eine taktische Grundidee oder gar eine Philosophie zu sehen. Seitdem José Mourinho vor neun Jahren zum ersten Mal nach Chelsea kam, steht er unter dem Generalverdacht, er reguliere seine Philosophie über die Schecks seiner Präsidenten.

Josep Guardiola hingegen verbreitet eine Aura, die einen glauben lässt, seine Leute würden das Spiel nur aus Liebe zum Spiel spielen und das Geld als angenehme Begleiterscheinung einsacken. Er ist der ewige Lordsiegelbewahrer des ästhetisch anspruchsvollen Fußballs. Als in seinem letzten Jahr beim FC Barcelona das ewige Kurzpassspiel immer mehr Öde auf dem Platz verbreitete, kam niemand auf die Idee, das Guardiola anzulasten. Wie ja auch niemand ernsthaft die These vertritt, Barcelonas Dominanz sei hauptsächlich dessen überragenden Individualisten geschuldet. Mit Andres Iniesta, Xavi Hernandez, Sergio Busquets oder Lionel Messi hätte auch der Fußballlehrer Bruno Labbadia allerlei Pokale abgeräumt. In der vergangenen Saison hat der FC Barcelona quasi ohne Trainer die Meisterschaft gewonnen.

In München nun darf Guardiola das späte und unerreicht erfolgreiche Lebenswerk seines Vorgängers Jupp Heynckes zertrümmern. Doppelsechs war gestern, heute versuchen wir mal was Neues. Was jedem anderen als Aktionismus ausgelegt worden wäre, gilt im Falle Guardiolas wahlweise als Mut zur Veränderung oder als Hinwegsetzen über Tabus. „Der FC Bayern des Jupp Heynckes war das beste Team Europas“, hat Mourinho der „Bild am Sonntag“ gesagt. „Jetzt haben sie einen neuen Trainer und neue Spieler – und ich bin nicht mehr sicher, ob sie immer noch so gut sind.“

Guardiola muss sich gar nicht mehr die Mühe machen, solche Bemerkungen zu kommentieren. Schweigen wird ihm seit jeher als weise Antwort ausgelegt. Der Mann hat es geschafft, dass ihm die ganze Welt nur Gutes zutraut. Seine wenig bis gar nichts aussagenden Sätze nach Spielen werden in den sphärischen Höhen eines Fußball-Philosophen verortet. Dass er im Herbst seiner Profikarriere positiv auf Nandrolon getestet wurde? Muss einfach ein Missverständnis gewesen sein, zumal er später auch freigesprochen wurde. Und natürlich nimmt es Guardiola niemand übel, dass er während seines Sabbaticals in New York nicht seinen ehemaligen Assistenten Tito Vilanova besuchte, obwohl der sich dort zur selben Zeit von einer Krebsoperation erholte. Welche Schlagzeilen wären in einem vergleichbaren Fall Mourinho um die Ohren geflogen?

Interessanterweise stand vor ein paar Jahren einmal die Möglichkeit eines Trainergespanns Mourinho/Guardiola zur Diskussion. Das war im Sommer 2008, als der FC Barcelona nach der Trennung von Frank Rijkaard einen neuen Trainer suchte und dabei auch mit dem in Unfrieden von einem ersten Engagement in Chelsea geschiedenen José Mourinho verhandelte. Der hatte sehr konkrete Vorstellungen, bis hin zur Bestellung des Co-Trainers, er favorisierte Josep Guardiola, der damals gerade die zweite Mannschaft betreute. Am Ende mochte Barça sich dann doch nicht den Launen und der eher problematischen Außendarstellung des Portugiesen ausliefern, und es kam, wie es im Rückblick nur allzu logisch erscheint. Mourinho übernahm die Catenaccio-Traditionalisten von Inter Mailand. Und Barcelona vertraute, ebenfalls nach bester Tradition, die Renaissance der blau-roten Poesie dem Trainer der zweiten Mannschaft an.

Josep und José. Irgendwann mussten sie sich ja mal wiedersehen. Also dann: heute Abend. Auf neutralem Terrain in Prag, wo das Schöne auf das Zweckmäßige trifft, auf dem Fußballplatz und nicht nur dort.

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