zum Hauptinhalt
Vor dem Abstieg. Süleyman Koc (l.) und Babelsberg nähern sich der Regionalliga.

© osnapix

SV Babelsberg 03 vor dem Abstieg: Schwere Zeiten in der Idylle

Hinter dem SV Babelsberg liegt eine Saison mit Chaos und Querelen. Am Samstag droht der Abstieg aus der dritten Liga – er würde den Potsdamer Klub weit zurückwerfen.

Die letzten Meter lässt Götz Schulze gemächlich austrudeln. Auf seinem Fahrrad rollt er die kleine Anhöhe hinunter von der Pflasterstraße, bis er kurz vor dem Trainingsplatz zum Stehen kommt. Er trägt Jeans, Hemd und bequeme Schuhe, Schweißperlen liegen auf seiner Stirn. Schulze, Vorstandsmitglied beim SV Babelsberg 03, musste ordentlich in die Pedalen treten, um von der Geschäftsstelle noch rechtzeitig zur „Sandscholle“ zu kommen.

Hier im idyllischen Potsdamer Stadtteil Babelsberg, einen Steinwurf vom Griebnitzsee entfernt, trainieren die Fußballer des Vereins. Schulze sieht gerade noch, wie die Spieler per Dropkick versuchen, vom Mittelkreis aus das leere Tor zu treffen, ohne dass der Ball vorher den Boden berührt. Eine Gaudi-Übung zum Abschluss, es wird gelacht und gefeixt. Wer zusieht, der könnte meinen, dass die Spieler am Saisonende genauso austrudeln wie Schulze auf dem Fahrrad.

Der Eindruck täuscht. Vielmehr ist das, was auf dem Rasen passiert, sportliche Gegenwartsbewältigung mittels Verdrängung. Die Spieler sollen sich ablenken, möglichst nicht daran denken, was ihnen drohen könnte. Am Samstag, am letzten Spieltag, muss man bei Preußen Münster (13.30 Uhr) ran, und wenn alles erwartbar läuft, wird Babelsberg nach dem Spiel abgestiegen sein. Von der dritten in die vierte Liga. Von der Peripherie des großen Fußballs in die Bedeutungslosigkeit.

„Dann wird alles schwieriger“, sagt Schulze. „Die wirtschaftliche Situation verschlechtert sich. Fernsehgelder fallen weg, durch die mangelnde TV-Präsenz wird es komplizierter, Sponsoren zu finden.“ Schulze, ein Rechtsprofessor, der an der Uni Potsdam lehrt, langsam und geduldig spricht, so, als würde er vor seinen Studenten stehen, muss gar nicht weiterreden. Die Negativspirale erklärt sich von selbst: Ohne Sponsoren ein kleinerer Etat, ohne vernünftigen Etat keine guten Spieler, ohne gute Spieler kein Erfolg. Besonders ärgerlich an einem möglichen Babelsberger Abstieg: Er wäre hausgemacht. Der Verein kommt einfach nicht zur Ruhe, stets gab es Querelen im Hintergrund.

Vor zwei Jahren war man fast pleite – mal wieder. Erst im letzten Moment konnte eine konkurrenzfähige Mannschaft zusammengestellt werden, die dann tatsächlich die Klasse hielt. Zum Dank wurde der langjährige Trainer Dietmar Demuth vor dieser Spielzeit gefeuert, für ihn kam Christian Benbennek. Der wurde dann im April entlassen, als ein Notvorstand die Geschicke übernahm, weil das Amtsgericht Potsdam rechtliche Mängel bei der Bestellung des Vorstandes ausgemacht hatte. Zuvor war bereits Geschäftsführer Klaus Brüggemann entlassen worden.

Inzwischen ist der Vorstand mit Unternehmer Archibald Horlitz an der Spitze neu gewählt, Vorstandsmitglied Götz Schulze schaut nach vorn: „Sollten wir tatsächlich absteigen, wollen wir auch gleich wieder versuchen, aufzusteigen“, sagt er.

„Sollten wir tatsächlich“, Schulzes Wortwahl suggeriert die Hoffnung, das scheinbar Unvermeidliche doch noch abzuwenden. Dazu müsste Babelsberg in Münster mindestens ein Unentschieden holen und hoffen, dass die Konkurrenten Darmstadt 98 und Borussia Dortmund II ihre Spiele verlieren. Nur geht es für Münster noch um den Aufstieg in die Zweite Liga und wer die letzten Babelsberger Auftritte gegen Burghausen (0:4) und das Pokalspiel gegen den drei Klassen tiefer spielenden Sechstligisten Sachsenhausen (0:1) gesehen hat, dem fehlt der Glaube an ein positives Resultat.

„Mir fehlt der Glaube überhaupt nicht“, sagt Almedin Civa. „Wir packen das noch.“ Seine Überzeugung wirkt nicht gespielt. Civa ist als Trainer der gleiche Kämpfer, der er zuvor als Spieler für Babelsberg war. Eigentlich ist der kleine Mann mit den schwarzen, lockigen Haaren Nachwuchsleiter bei 03, im April übernahm Civa notgedrungen, als Benbennek gehen musste. Seit 1999 ist der 41-Jährige mit Unterbrechungen im Verein, er hat einiges miterlebt, von der Zweiten Liga bis zur Regionalliga. „Wenn wir absteigen, würde das den Verein vier bis fünf Jahre kosten“, sagt Civa. So lange könnte es seiner Meinung nach dauern, bis Babelsberg wieder konkurrenzfähig wäre Richtung Dritte Liga. Inzwischen steigen die Meister der fünf Regionalligen nicht mehr direkt auf, die drei Plätze werden durch Ausscheidungsspiele der Erstplatzierten untereinander ermittelt. Unter anderem trifft dort RB Leipzig auf den Meister der Regionalliga West. „Wenn RB es nicht schafft und wir absteigen, können wir das Geld für die nächste Saison gleich sparen“, sagt Civa.

Leipzig wird durch den österreichischen Brausehersteller Red Bull alimentiert, der Etat grenzt an den Zweistelligen Millionenbereich. Bei Babelsberg 03 versuchen sie aktuell, ein Finanzloch von 1,2 Millionen Euro zu stopfen, um die Lizenz für die kommende Saison zu erhalten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false