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Sport: Sweet Home Alabama

Schwimmerin Anne Poleska muss zurück in die geistige Enge des amerikanischen Südens

Anne Poleska hat ihre Zehnägel leuchtend blau lackiert. Wenn sie Autogramme gibt, malt sie eine fröhlich lachende Sonne über ihren Namen. Sie studiert Marketing und spricht fließend Englisch. „Eigentlich habe ich mich die ganze Zeit gewundert, dass sie noch nie richtig vermarktet wurde“, sagt Horst Melzer. Sie bringt doch alles mit.“ Melzer trainiert die Brustschwimmern Poleska, wenn die in Essen ins Wasser geht. Er hat sie auch in Athen bereut. Andererseits ist der erfahrene Trainer Melzer auch nicht naiv. Er weiß schon, weshalb Poleska keine hoch dotierten PRVerträge hat. „Der Erfolg hat halt gefehlt.“

Seit Donnerstag Abend sind die Chancen auf eine Vermarktung gestiegen. Anne Poleska schlug nach einem mitreißenden Schlussspurt in 2:25,82 Minuten über 200 m Brust an, sie gewann überraschend die olympische Bronzemedaille, sie wurde mehr gefeiert als es für einen dritten Platz üblich ist. Anne Poleska profitierte davon, dass deutsche Fans und Medien so sehnlich auf eine Medaille warteten wie ein Kind auf Weihnachtsgeschenke. „Hör mal“, hatte Melzer der Brustschwimmerin Anfang der Woche gesagt, „du hast hier die Chance, ganz groß rauszukommen.“ Olympia, Milliarden Zuschauer, tausende deutsche Journalisten, was für eine Chance.

Nun liegt die Zukunft in ihren Händen. „Mal sehen, was jetzt kommt“, sagte Poleska mit ihrem netten Lächeln, und sie meint damit eventuelle Sponsoren-Verträge. Vermutlich kommt nicht allzu viel heraus. Kurz vor dem Karriereende mit einer Bronzemedaille zur PR-Größe aufzusteigen, das ist eher unwahrscheinlich. Jetzt geht sie auf jeden Fall erst einmal wieder zu ihrer Universität nach Alabama zurück. In drei Tagen beginnt dort das Semester, Poleska muss vorher aber noch eine Kleinigkeit erledigen. „Ich muss den Professoren sagen, dass ich ein wenig später eintreffe.“ Sie haben sich in letzter Zeit doch ein wenig aus den Augen verloren, die Studentin Anne Poleska und die Professoren. Seit September vergangenen Jahres lebt sie nicht in Alabama, sondern in Coral Springs, Florida. Dort arbeitet Michael Loberg als Trainer, und den verehrt Anne Poleska geradezu. Vor allem aber war dieser Wechsel eine Flucht. Anne Poleska floh vor dem, was sie als extremen Patriotismus, als Engstirnigkeit und Intoleranz empfand. In Alabama lebte sie in einem Appartement mit drei US-Amerikanerinnen, eine davon platzierte in ihrem Zimmer während des Irak-Krieges demonstrativ eine US-Flagge. Da steckte Poleska genauso demonstrativ eine Deutschland-Fahne in den Hals einer leeren Flasche. Das gab Streit.

In Florida war alles anders und vieles besser. Sie traf sie auf Menschen aller Nationen, sie liebt die Sonne, diese ungezwungene Atmosphäre. Gleichzeitig spürt sie aber auch so etwas wie Heimat. Michael Lohberg stammt aus Krefeld, wie Poleska auch. Ihr Vater ist mit Horst Melzer aufgewachsen. Und an den Sonntagen schaltete sich die gesamte Familie Poleska in einer Telefonkonferenz zusammen.

Aber jetzt muss sie wieder zurück in die geistige Enge von Alabama. Das Projekt Lohberg war nur bis zu den Olympischen Spielen angelegt. Mit dem Schwimmtrainer der Uni von Alabama hat sie sich „am Telefon bereits mehrfach gefetzt“. Er wollte sie damals nicht nach Florida gehen lassen. „Aber ich werde schon klar kommen“, sagt Anne Poleska. „Ich bin ja schon erwachsen.“

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