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Sport: Symbol der Verantwortung

Eine Delegation des Deutschen Fußball-Bundes besucht die Holocaust-Gedenkstätte in Auschwitz.

Ein bisschen zwickte das Thema irgendwie schon noch. Im März dieses Jahres war der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, mit Aussagen an die Öffentlichkeit getreten, die in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) einige Irritationen ausgelöst hatten. Graumann hatte die deutsche Nationalmannschaft unmissverständlich dazu aufgefordert, während der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine vom 8. Juni bis 1. Juli die Holocaust-Gedenkstätten in Auschwitz (Polen) oder Babyn Jar (Ukraine) zu besuchen. „Die jungen deutschen Spieler tragen nicht die Schuld, aber die Verantwortung“, hatte Graumann damals gesagt.

Dem kurz vorausgegangen war ein Zwischenfall, bei dem der israelische Profi Itay Shechter vom Bundesligaabsteiger 1. FC Kaiserslautern beim Training von einer Gruppe von zehn Personen heftig beschimpft und mit antisemitischen Parolen beleidigt worden war. „Ich finde es unvorstellbar, dass die Deutschen während der EM nicht eine der Holocaust-Gedenkstätten in Auschwitz oder Babyn Jar besuchen“, sagte Graumann: „Es würde ein fatales Signal an die Welt gesendet, wenn die Deutschen keine Gedenkstätte besuchen würden.“ Im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau wurden mehr als eine Million Juden von den Nazis ermordet. In Babyn Jar nahe Kiew erschossen Wehrmacht und Waffen-SS mehr als 33 000 Juden.

Erst ein Treffen gut zwei Wochen später zwischen Graumann und dem gerade neu gewählten DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach beruhigte das Thema etwas. Seit gestern nun steht fest, dass noch vor der Abreise zum EM-Turnier, bei dem die deutsche Mannschaft Quartier in Danzig beziehen wird, eine deutsche Delegation die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besuchen wird.

Bundestrainer Joachim Löw und Kapitän Philipp Lahm werden am Freitag, dem Tag nach dem Testspiel gegen Israel, von Leipzig aus zum ehemaligen Vernichtungslager reisen. Zur Delegation gehören neben ihnen noch Wolfgang Niersbach sowie Miroslav Klose und Lukas Podolski, die beide in Polen geboren sind.

Der 26 Jahre alte Podolski habe von sich aus um die Teilnahme an dem Besuch gebeten, erzählte gestern Oliver Bierhoff. Der Manager der Nationalmannschaft sagte aber auch, „dass wir daraus keine PR-Aktion machen wollen“. Um dem Besuch den notwendigen zeitlichen und würdigen Rahmen zu geben, sei darauf verzichtet worden, während des EM-Turniers nach Auschwitz zu reisen.

Die deutsche Delegation wird mit zwei Privatjets am Freitagvormittag von Leipzig nach Kattowitz fliegen, von wo sie mit dem Auto nach Auschwitz weiterreist. „Das ist keine Aktion der Nationalmannschaft, sondern eine des DFB“, sagte Bierhoff. Zu den Begleitern dieser Delegation gehören Charlotte Knobloch, Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Rüdiger Freiherr von Fritsch, der deutsche Botschafter in Polen, sowie Reinhard Rauball, Präsident der Deutschen Fußball-Liga.

„Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die wir als Vertreter Deutschlands haben, wenn wir nach Polen und in die Ukraine reisen“, sagte Bierhoff. Seit Mitte des vergangenen Jahres habe man sich im DFB mit diesem Thema beschäftigt. Bereits anlässlich des ersten Länderspiels in Israel im Jahr 1987 hatte die deutsche Mannschaft die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem besucht. Gleiches geschah beim Spiel der beiden Teams im Jahr 1997.

„Wir wollen ein Symbol geben“, sagte Philipp Lahm am letzten Tag des Trainingslagers in Tourrettes. „Auch wenn wir nicht die Generation sind, die verantwortlich ist, wollen wir zeigen, dass wir unsere Geschichte kennen und dafür Verantwortung übernehmen.“

Die übrigen 20 deutschen Nationalspieler werden am Freitagvormittag in Leipzig noch eine gemeinsame Trainingseinheit absolvieren. Erst danach reisen sie in ein freies Wochenende vor der Abreise zur Europameisterschaft.

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