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Sport: Systematisch und studiert

Rom. Fußball ist in Italien auch Politik.

Rom. Fußball ist in Italien auch Politik. Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat seine Partei „Forza Italia“ genannt, nach dem Schlachtruf der Tifosi. Doch selbst der Oppositionspolitiker Piero Fassino hat zugegeben, bei den WM-Spielen „Forza Italia“ gebrüllt zu haben. Alles hat nichts genützt; Italien scheiterte im Achtelfinale an Südkorea. Vor allem die Umstände der Niederlage bewegen das ganze Land. Entsprechend sind die Kommentare der Politiker, über alle Parteigrenzen hinweg. „Italien hätte den Sieg verdient“, sagte Präsident Carlo Azeglio Ciampi; „wirklich schade“, erklärt Berlusconi, Kammerpräsident Pierferdinando Casini ist „empört“; Senatspräsident Marcello Pera fühlt sich „beraubt“, und Francesco Rutelli von der Opposition nutzt die Gelegenheit, Berlusconi die Schuld zu geben. Gestern untersuchte sogar das Abgeordnetenhaus die Gründe für das Ausscheiden.

Im Zuge dessen beginnt in Italien unabdingbar eine heftige Diskussion um die Nachfolge von Giovanni Trapattoni als Nationaltrainer. Auch wenn der Maestro selbst vorerst nichts davon hören will. Über entsprechende Fragen der Journalisten war der Meistertrainer erbost. Unmittelbar nach der 1:2-Niederlage wollte Trapattoni keinen Gedanken an einen Rücktritt verschwenden.

„Alle haben gesehen, was geschehen ist!“, erwiderte Trapattoni auf die Journalistenfragen. Die ganze Welt sei Zeuge des Fifa-Komplotts. Man sei Opfer einer miserablen Schiedsrichterleistung geworden. Er habe noch nie eine „so systematische, studierte Sache“ gegen Italien gesehen. Keine Spur von Selbstkritik und davon, dass er die Mannschaft taktisch falsch eingestellt haben könnte. Heftige Diskussionen führten die Tifosi über die Einwechselung des defensiven Mittelfeldspielers Gattuso beim Stand von 1:0 für Italien. Eine Maßnahme, die Trapattonis Schwäche für die Ergebnissicherung offenbarte, womit er das alte Bild des Defensivfetischisten bestätigte. Trapattonis Kritiker betraten wieder die Szene und schwärmten vom erfrischenden Offensivfußball, wie Italien ihn unter Arrigo Sacchi gespielt hatte.

Dieser allerdings verweigerte jeglichen Kommentar. „Immer wenn ich das Spiel der Nationalmannschaft kommentiere, werden meine Worte instrumentalisiert“, sagte Sacchi. Fußballlegende Sandro Mazzola kannte jedoch keine Zurückhaltung und kritisierte Trapattoni scharf: „Es hat keinen Sinn, sich als Opfer hinzustellen. Wir haben die Südkoreaner zu groß aufspielen lassen. Außerdem habe ich den Sinn von gewissen Einwechselungen nicht verstanden.“ Luigi Del Neri, der in der italienischen Liga mit Chievo ein Wunder vollbrachte und zum neuen Propheten des Offensivfußballs avancierte, meinte ebenfalls unmissverständlich: „Man kann zwar über die Schiedsrichterleistung diskutieren, aber auf die Treffer der Südkoreaner hatte sie überhaupt keinen Einfluss.“

Vom italienischen Fußballverbandspräsidenten Franco Carraro erhält Trapattoni Rückendeckung. Doch wie lange noch? Im Verband tobt ein Machtkampf, in dem Trapattoni eine Schlüsselrolle besetzt. Das WM-Aus gilt dabei als willkommene Gelegenheit, alte Rechnungen zu begleichen.

Schon werden Claudio Gentile oder Marco Tardelli als Nachfolgekandidaten für Giovanni Trapattoni gehandelt. Beide gehören zur Weltmeistermannschaft von 1982. Gentile erzielte zuletzt respektable Erfolge mit der italienischen U-21-Mannschaft. Tardelli erlitt im vergangenen Jahr als Trainer von Inter Mailand Schiffbruch. Doch an seinen Torschrei im Spiel gegen Deutschland erinnern sich noch alle Fußballfans. Vielleicht hoffen sie jetzt darauf, dass er als italienischer Trainer bald Grund zu einem ähnlichen Ausbruch hat.V. Delle Donne/R. Krieger

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