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© Thilo Rückeis

Tägliche Serie, Folge 10: Kulturcheck - ein Londoner testet Berlin, heute: Hertha und Galatasaray

Das Berlin-Experiment: Der Londoner Journalist Mark Espiner ist zwei Wochen beim Tagesspiegel zu Gast und bespricht online jeden Tag Berliner Kulturereignisse. Diesmal geht er zum Fußball, dem großen Gesellschaftsspiel.

Auf einmal wurde mir bewusst, dass ich nicht alles schaffen kann. All Ihre fantastischen Tipps - die immer noch kommen! -, die mir alles vorschlagen von Schokoladenläden am Gendarmenmarkt bis zu Schwimmbädern im Fluss, vom besten Döner in Kreuzberg zu sieben Geschmacksrichtungen Currywurst bis zu den Kneipen der Charlottenburger Boheme. Ich werde das alles nie machen können, bevor ich am Sonntag abreise. Ich muss wohl wiederkommen - wenn Sie mich überhaupt noch hierhaben wollen nach meiner Beschwerde gestern.

Ich habe dann zwei Würstchen gegessen, eines vor dem Spiel und eines danach. Ja, meine Freunde, ich war beim Fußball. Welches bessere Barometer für die Kultur einer Stadt kann es geben als sich ein Team der Stadt anzuschauen? Gestern habe ich gleich zwei Berliner Teams auf einmal gesehen. Okay, Galatasaray kommt aus Istanbul, aber die Berliner Türken waren stark vertreten. Unter den 65.000 Zuschauern stand es 3:1 für Gelb und Rot gegen Herthas Blau und Weiß.

"Willkommen in Berlin, English guest!", riefen türkische Fans

Als ich in der Schlange am Stadiontor stand, erkannten mich einige türkische Fans - vielleicht wegen meines Huts, den ich auch im "Heute Journal" getragen hatte oder wegen der Bilder auf dieser Internetseite -  und riefen: "Willkommen in Berlin, English guest!". Wie freundlich. Ich wollte sie erst fragen, was sie vom Schlossplatz-Entwurf halten, ließ das dann aber doch. Stattdessen hatte ich einen halal hotdog. Sagen Sie was Sie wollen über Frankfurter, aber heiße Würstchen im kalten Winter hit the spot, wie wir im Englischen sagen. Und das war mehr, als Hertha an diesem Abend gelang, hit the spot, meine ich.

Zum Glück bin ich kein Hertha-Fan, sonst würde ich jetzt heulen. Ich bin kein Fußballkommentator, aber selbst ich konnte die vielen vergebenen Chancen erkennen. Und der Schiedsrichter schien nur Augen für Herthas Hände zu haben im Strafraum, nicht für Galatasarays.

Die Hertha-Gesänge waren beeindruckend - wie das koordinierte Rauf- und Runterspringen im Hertha-Fanblock. Und ich nehme mal an, dass die spielerischen Sticheleien zwischen Herthanern und Türken in der S-Bahn und das ganze spaßige Drumherum mehr über Multikulti hier in Berlin aussagen als alles, das ich bisher mitbekommen habe. Es war nicht so sehr ein Fußball- als ein Gesellschaftsspiel. Ich bin mir sicher, dass es auch Spannungen gab, aber ich habe keine mitbekommen. Verschiedene Bezirke einer Stadt traten gegeneinander an, aber vereinten sich gleichzeitig im beautiful game, wie wir Engländer den Fußball nennen.

Das Gebratene und das Gekochte

Meine Füße wurden zu Eisblöcken - sogar die wärmende Atmosphäre im großartigen Olympiastadion, vervollständigt durch türkisches Feuerwerk, konnte sie nicht auftauen.

Nein, was meine innere Zentralheizung wieder in Gang brachte, war die Kohlwurst im Ring. Ich habe den Rat, sie zu kochen, in den Wind geschlagen (ich kann mich mit dem Gedanken immer noch nicht anfreunden) und briet sie. Diese Wurst versteht keinen Spaß. Sie war geradeheraus, fett, mächtig und heiß. Tor!

Aus dem Englischen übersetzt von Markus Hesselmann.

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