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Sport: Tag der falschen Schuhe

Trotz Verletzung fliegt Marcelinho mit Hertha nach Zypern

Berlin. Marcelo dos Santos Paraiba trägt die falschen Schuhe: die weißen mit den dicken, weichen Sohlen, und nicht die schwarzen mit den Stollen unten drunter. Marcelo dos Santos Paraiba, der sich Marcelinho nennt, mag die Tage nicht, an denen er die weißen Schuhe tragen muss. Und er macht auch kein Geheimnis daraus. Auf dem Weg zum Trainingsplatz lässt er die Schultern hängen, die Hände hat er in die Taschen seiner Trainingsjacke gesteckt, und dreimal auf hundert Metern dreht er sich um zu Alex Alves, seinem Landsmann aus Brasilien. Alves trägt die richtigen Schuhe, und Alves hat einen Ball. Marcelinho hat keinen.

Der Mittelfeldspieler von Fußball-Bundesligist Hertha BSC plagt sich mit einer Muskelverhärtung. Er kann nicht richtig trainieren. Nur dehnen und laufen. Deshalb trägt Marcelinho die weißen Joggingschuhe, die er nicht mag. Bei den Turnübungen schlenkern seine Arme lustlos durch die Luft. 35 Minuten lang läuft er anschließend über das Olympiagelände. Als Marcelinho in die Kabine geht, spielen seine Kollegen noch. Mit dem Ball.

„Es ist gut“, sagt der Brasilianer beim Weggehen. Ob er mit nach Zypern fliege? „Es ist besser“, antwortet er. Marcelinho sagt das schon deshalb, weil er auf jeden Fall spielen will, wenn seine Mannschaft am Donnerstag im Uefa-Cup bei Apoel Nikosia antritt. Vermutlich wird er heute Morgen um 8.45 Uhr in der Maschine sitzen, die Hertha nach Zypern bringt. Dass er auch spielt, heißt das allerdings noch nicht.

Zwanzig, vielleicht sogar einundzwanzig Spieler will Herthas Trainer Stevens mit nach Nikosia nehmen, darunter neben Marcelinho fünf oder sechs andere Kollegen, die angeschlagen sind. Marko Rehmer allerdings bleibt wegen seiner Sprunggelenksverletzung in Berlin. Ohnehin dürfen am Donnerstag nur 18 Spieler dem Kader angehören; dass Marcelinho nicht darunter sein wird, kann sich niemand richtig vorstellen. Marcelinho spielt immer.

Im Sommer 2001 ist der Brasilianer zu Hertha gekommen, seitdem hat er nur ein einziges Bundesligaspiel verpasst: in der vorigen Saison in Freiburg, als Marcelinho wegen seines ersten Einsatzes für die brasilianische Nationalmannschaft leider verhindert war. Inzwischen gilt Marcelinho als nahezu unersetzlich. In seinem ersten Jahr in Berlin hat er fast vergessen lassen, dass Sebastian Deisler mehr als sechs Monate fehlte; in dieser Saison ist Marcelinhos Dominanz noch ausgeprägter. Fünf Tore hat er geschossen, drei vorbereitet – damit war er an zwei Drittel aller zwölf Berliner Treffer beteiligt.

Wenn man Huub Stevens zur Bedeutung Marcelinhos befragt, sagt Herthas Trainer seinen Lieblingssatz: „Jeder Spieler ist wichtig.“ Das ist so wahr, wie im Sozialismus alle Menschen gleich waren. Für den Fall, dass Marcelinho gegen Nikosia nicht mitwirken kann, werde es so sein, „dass ein anderer da spielt“, sagt Stevens. Als wenn das so einfach wäre.

Und doch muss sich Hertha gedanklich mit dem Fall beschäftigen, dass Marcelinho einmal fehlen wird. In der Bundesliga hat er bereits vier Gelbe Karten gesehen – nicht weil er unfair spielt, sondern weil er manchmal etwas undiszipliniert ist. Bei der nächsten Verwarnung müsste Marcelinho einmal aussetzen. Die Gefahr hat er wohl inzwischen erkannt. Drei Spiele hat Marcelinho jetzt schon ohne Gelbe Karte überstanden. 24 muss er noch schaffen.

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