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Sport: Tage des Glücks

Kurz vor der Eröffnung ist Athen bereit für die Olympischen Spiele – das macht griechischen Sportlern Mut

Eigentlich wollte der hochgewachsene kubanische Sportler nur in seinen Bus klettern. Er hatte gerade am Flughafen von Athen seinen Olympia-Ausweis aus Plastik erhalten, jetzt wollte er ins Olympische Dorf fahren. Aber dann stieg er plötzlich zu einem Zeugen griechischer Organisationskunst auf. Ein Fernsehreporter streckte ihm sein Mikrofon entgegen und fragte: „Welchen Eindruck haben Sie bis jetzt von Griechenland?“ Der Kubaner blickte erst verdutzt, dann strahlte er und verkündete: „Es ist fantastisch, so schnell habe ich mich noch nie akkreditiert. Und so schnell wie in Athen habe ich noch nie Sicherheitschecks absolviert.“ Kurzes Nicken, Abgang.

Am Abend wurde die Szene im griechischen Fernsehen ausgestrahlt. Es war eine von vielen guten Nachrichten. Seit etwa drei Wochen erklären die griechischen Medien die Olympischen Spiele in Athen zur einer großen Erfolgsgeschichte. Die Zeitungen verkünden seitdem Tag für Tag voller Stolz, welche Sportstätten fertig sind, welche Straßen freigegeben wurden und wie diszipliniert die Griechen die Olympia-Linie auf den Straßen für die Busse der Athleten und Organisatoren freihalten. Viele dieser Zeitungen hatten noch vor kurzem das absolute Chaos prognostiziert.

Auch Jane Papadopoulos ist stolz. Sie ist eine von 45 000 freiwilligen Helfern in der Olympiastadt. Sie ist Engländerin, mit einem Griechen verheiratet und lebt seit Jahren in Athen. Jetzt sitzt sie in einem Bus, der Richtung Zentrum fährt und zeigt abwechselnd nach links und nach rechts. Links erhebt sich der riesige Stadtring, der den Autoverkehr um Athen führt, rechts liegen die Schienen, auf denen die S-Bahn Touristen vom Zentrum zum Flughafen transportiert. „Wir sind alle sehr zufrieden.“

Die großen Sorgen sind weg. Die Sportler im Olympischen Dorf mussten zwar die Fernbedienung des Fernsehers selbst zusammenbasteln, und auf den Schalensitzen des Olympiastadions liegt noch Sand, weil der Platz vor der Betonschüssel einer Baustelle gleicht. Doch so etwas wischt Jane Papadopulos mit einer fahrigen Handbewegung beiseite: „Das sind Kleinigkeiten.“ Stattdessen haben viele Griechen jetzt das Gefühl entwickelt, dass sie doch gute Organisatoren sind. Die Sportstätten sind rechtzeitig fertig geworden, obwohl niemand daran geglaubt hatte, im Juli wurde die griechische Fußball-Nationalelf Europameister, „das hat uns optimistischer gemacht“, erzählt Jane Papadopoulos. „Wir hoffen, dass wir jetzt mehr Medaillen gewinnen.“

Sie spricht so, als hätte sie eine offizielle Funktion, aber so reden zur Zeit viele Griechen. „Der EM-Titel hat etwas Neues ausgelöst“, sagt ein griechischer Journalist. „Der Titel hat gezeigt, dass auch ein Außenseiter gewinnen kann. Warum sollen wir nicht auch bei Olympia für Überraschungen sorgen?“ Auch der Chef des griechischen Olympiateams, Yannis Papadoyiannakis, verbreitet große Hoffnungen: „Insgesamt erreichen wir sicher 20 Medaillen.“ Das ist eine kühne Prognose. Bei den Spielen 2000 haben die Griechen 13 gewonnen. Viel mehr neue Medaillenkandidaten sind nicht hinzugekommen.

Die Stars der Griechen, Sprinter Konstantin Kenteris und Gewichtheber Pyrros Dimas, haben schon in Sydney Gold gewonnen. Zwei Linien der neu gebauten Straßenbahn von Athen sind für die Zeit der Olympischen Spiele nach Kenteris und Dimas benannt. Vor allem zu Dimas schauen die Griechen auf.

Der Gewichtheber peilt seine vierte Goldmedaille bei Olympia an, er blickt von Plakaten in der Stadt, er lässt sich filmen, wenn er in der Gewichtheberhalle auftaucht. Dimas wird bei der Eröffnungsfeier als erster Athlet das Stadion betreten, in der Hand die griechische Flagge. „Das ist für mich schon eine Goldmedaille“, sagt Dimas. Nichts hören die Griechen derzeit lieber als solche Sätze.

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