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Telekom-Skandal: Großreinemachen ohne Ullrich

Zabel, Aldag, Dietz, Henn, Bölts: Nahezu alle Telekom-Profis der 90er Jahre haben inzwischen Doping eingeräumt. Am Freitag könnte auch Bjarne Riis dazustoßen. Einzig Jan Ullrich schweigt weiter beharrlich.

Bonn - Das Großreinemachen im Doping-Skandal der deutschen Radprofis hat durch die spektakulären Geständnissen von Profi Erik Zabel und T-Mobile-Sportdirektor Rolf Aldag eine neue Dimension bekommen. Mit den Tränen kämpfend beichtete als erster noch aktiver Fahrer Zabel, bei der Tour de France 1996 mit dem Blutdopingmittel Epo an den Start gegangen zu sein. "Ich hatte mich entschieden, Epo zu nehmen. Es war ein einmaliger Test, den ich nach einer Woche abgebrochen habe", gestand der 36-Jährige Profi des Milram-Rennstalls auf einer Pressekonferenz in Bonn.

Über einen Zeitraum von zwei Jahren habe Aldag - einst Edelhelfer von Jan Ullrich nicht nur bei dessen Tour-Triumph 1997 - illegale Mittel genommen. "Ich habe gedopt und mich 1995 dazu entschieden", erklärte der 38-jährige Westfale. "Ich wollte Erfolg und habe Epo genommen." Erst zwei Jahre später habe er ein schlechtes Gewissen bekommen. "Ich entschuldige mich für die Lügerei und schäme mich", sagte Aldag, der in den vergangenen Monaten für seinen Rennstall stets den "Saubermann" gespielt hatte.

Aldag soll im Amt bleiben

Der geständige Sportdirektor des T-Mobile-Teams soll trotz der Beichte im Amt bleiben. "Wir vertrauen und glauben an Rolf Aldag", erklärte der Teammanager Bob Stapleton. Die Telekom kündigte zudem an, das Sponsoring für den Rennstall wie vertraglich vereinbart, bis 2010 fortzusetzen. "Wir wollen dem Team eine Chance geben, den sauberen und klaren Weg fortzusetzen", sagte Christian Frommert, Leiter der Sponsoring-Abteilung der Telekom. "Unverstellbar" sei für ihn, dass die Konzernspitze von den Doping-Machenschaften in der Telekom-Equipe in den 90er Jahren gewusst hatte.

Völlig überraschend war auch Erik Zabel zum Doping-Geständnis in Bonn erschienen. Der sechsmalige Gewinner des "Grünen Trikots" bei der Tour de France erlag nach seiner Darstellung nur einmal der Versuchung, Epo zu nehmen, weil es Probleme mit Nebenwirkungen gab und er Angst hatte, "am nächsten Morgen tot zu sein". Zabel: "Es ist jedoch egal, ob man es einmal macht oder über einen längeren Zeitraum - ein Verstoß gegen die Regeln ist es so oder so."

"Habe mein Leben an der Garderobe abgegeben"

Offen ließ er, ob er weiter Rad fahren will. "Erst muss ich das Vorgehen mit dem Team Milram besprechen", sagte er. Fraglich sei jedoch, ob er nach diesem Geständnis noch an der Weltmeisterschaft in diesem Jahr in Stuttgart teilnehme. "Ich habe nun mein Leben an der Garderobe abgegeben und werde sehen, was passiert", so Zabel. Der Bund Deutscher Radfahrer ließ inzwischen aber durchblicken, einem "Fall Zabel" im Zusammenhang mit der Teilnahme bei der WM im eigenen Land wohlwollend gegenüberzustehen.

Für die Freunde Aldag und Zabel, die das Epo von ihrem Betreuer Jef d'Hont bekommen haben, ist das Doping im Telekom-Team der 90er Jahre in eigener Verantwortung und nicht systematisch geschehen. "Es war sehr erniedrigend, Doping zu nehmen, sehr intim, sehr individuell", sagte Aldag. Deshalb könne er weder die Verdächtigungen gegen den früheren Sportlichen Leiter Walter Godefroot noch gegen den damaligen Team-Kapitän Jan Ullrich bestätigen, meinte aber: "Es wäre Spekulation, zu sagen, Jan hat gedopt - und es wäre unseriös, zu behaupten, er hat es nicht getan."

Steht Riis-Geständnis kurz bevor?

Vor Aldag und Zabel hatten schon die ehemaligen Telekom-Fahrer Bert Dietz, Christian Henn und Udo Bölts sowie praktisch zeitgleich in Kopenhagen Brian Holm die Einnahme verbotener Mittel gestanden. Mit Spannung wird nun die Pressekonferenz von Bjarne Riis, der 1996 im Magenta-Trikot die Tour vor Ullrich gewonnen hatte, am Freitag in der dänischen Hauptstadt erwartet.

"Ich habe Epo probiert und meine Erfahrung damit gemacht", sagte der 40-Jährige Bölts in der ARD. "Nach dem schlechten 95er Jahr habe ich 1996 damit angefangen, um in der Tour-Mannschaft dabei zu sein." 1997 habe er aber wieder damit aufgehört. "Danach war Schluss damit", sagte Bölts, der heute Sportlicher Leiter beim Team Gerolsteiner ist. "Es tut mir sehr leid." Er bedauere, dass er "gelogen und betrogen" habe.

Ullrich-Anwalt: Kein Grund für ein Geständnis

Keinen Grund zu einem Doping-Bekenntnis sieht der Rechtsanwalt von Jan Ullrich, Peter-Michael Diestel, für seinen Mandanten. "Ein Auspacken bei Jan Ullrich gibt es in diesem Sinne nicht", sagte Diestel dem ZDF-"Morgenmagazin". Ullrich brauche bei seinem großen Talent nicht zu dopen. Der heute 33-Jährige steht im Verdacht, in den Doping-Skandal um den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes verwickelt zu sein. Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn. Ullrich war von der Tour de France 2006 ausgeschlossen und von seinem damaligen Arbeitgeber, dem T-Mobile-Team, fristlos gekündigt worden.

Das Schweigen haben zudem die beiden Freiburger Sportmedizinier Andreas Schmid und Lothar Heinrich gebrochen. Sie räumten ein, an Doping von Radprofis in den 90er Jahren mitgewirkt zu haben. "Ich habe den Radsportlern auf Anforderung Dopingsubstanzen, insbesondere Epo, zugänglich gemacht", erklärte Schmid. Er betonte aber, dass "das Nachfolgeteam T-Mobile nicht betroffen" sei. Schmid und Heinrich sind von der Universitätsklinik Freiburg am Donnerstag fristlos entlassen worden. (tso/dpa)

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