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Sport: Telekom-Verantwortliche freuen sich, dass der Radprofi fünf Etappen in Nordspanien durchsteht

"Ich bin sehr zufrieden, dass Jan durchgehalten hat. Das war nicht zu erwarten", sagte der sportliche LeiterHartmut Scherzer Noch mal in Worten: Neunzigster - einundfünfzig Minuten und zehn Sekunden Rückstand.

"Ich bin sehr zufrieden, dass Jan durchgehalten hat. Das war nicht zu erwarten", sagte der sportliche LeiterHartmut Scherzer

Noch mal in Worten: Neunzigster - einundfünfzig Minuten und zehn Sekunden Rückstand. Und dennoch: Freude beim Team Telekom über das Comeback von Jan Ullrich. "Ich bin sehr zufrieden, dass Jan durchgehalten hat. Das war nicht zu erwarten", sagte der sportliche Leiter Rudy Pevenage.

Der prominenteste deutsche Radfahrer hatte die Fünf-Etappen-Fahrt "Vuelta a Castilla-Leon" durchgestanden, obwohl er davor nach einer zweimonatigen Rennpause erst wieder zehn Tage trainiert hatte. Als viel zu früh hatte Ullrich die Rundfahrt durch Spanien zunächst abgelehnt, war aber vor allem von seinem Manager Wolfgang Strohband zur Teilnahme überredet worden. Er dürfe sich jetzt nicht verstecken, hatte dieser gesagt. "Du stehst unter keinem Erfolgszwang. Keiner erwartet etwas von dir. Auch die Medien werden berücksichtigen, dass du erst wieder anfängst."

Nach einer "psychischen Krise", wie Strohband den Seelenzustand das Radprofis in den Wochen nach Tour-Absage und Doping-Anschuldigungen nannte, habe Ullrich "Angst vor der Kritik gehabt, wenn er wieder aufgeben würde". Nun hat sich sein Mandant also durchgebissen. Ullrich wollte wissen, wie es nach dem Sturz bei der Deutschland-Tour, der Knieverletzung und dem Verzicht auf die Tour de France um ihn bestellt ist. "Jan Ullrich steht gut da", findet Rudy Pevenage nun.

Das Durchkommen des Tour-Siegers von 1997 passte ins gute Bild des Teams Telekom bei dieser kleinen Rundfahrt: Alberto Elli Zweiter mit 1:25 Minuten Rückstand, Giuseppe Guerini Dritter und Georg Totschnig Siebenter. Das Missverhältnis im Team Telekom hätte gegensätzlicher kaum sein können: Hier der Star ohne Kondition, der gerade wieder versucht, Tritt zu fassen, dort seine sonstigen Wasserträger, die mit ihrer Form aus der Tour locker vorausfuhren. Ullrich musste sich hinten allein mit den Nachzüglern durchquälen. Die ersten drei Tage seien sehr hart gewesen, sagte Ullrich. "Umso zufriedener bin ich, dass ich durchgefahren bin." An Aufgabe habe er jedoch nicht gedacht.

Dieselbe Situation wird Ullrich auch heute beim Weltpokalrennen "Clasica San Sebastian" erleben. Denn nur mit sechs statt der zugelassenen acht Fahrer, aber gleich mit vier Siegesanwärtern tritt das Team-Telekom an. Nach Pevenages Einschätzung haben seine Fahrer gute Chancen, ganz vorn zu landen: Alberto Elli, Giuseppe Guerini, Georg Totschnig und Udo Bölts, der zusammen mit Jörg Jaksche zu den Kastilien-Rundfahrern stieß. Alles Tour-Teilnehmer also. Für Ullrich dürfte das Rennen über 230 Kilometer jedoch zu schwer sein. Selbst das Durchkommen ist für ihn ein schwieriges Unterfangen. Auch wenn er jetzt keine Angst mehr vor San Sebastian habe wie noch vor einer Woche.

Der bereits 35 Jahre alte Elli, der schon in der zweiten Tour-Hälfte seine Stärke eindrucksvoll demonstriert hatte, wurde von Pevenage zum Kapitän bestimmt. In der Siegerliste der 1981 erstmals gestarteten "Clasica Ciclista" stehen Namen wie Miguel Indurain, Lance Armstrong und Udo Bölts, der 1996 an seinem 30. Geburtstag diese Rundfahrt gewann.

Der Pfälzer ist Spezialist für San Sebastian. Bölts wurde in der malerischen Metropole am Meer bei der Weltmeisterschaft 1997 Vierter, war im letzten Jahr Neunter und strampelt zum achten Mal bei der "Clasica" über die hügelige Küstenregion des Baskenlandes. "Die Vorentscheidung fällt stets am Jaizkibel", erzählt der San Sebastian-Experte. "Die Gruppe, die hier über den Berg kommt, macht den Sieger unter sich aus." Wie 1996, als Bölts den Spurt eines Sextetts mit Richard Virenque (4.) - und Alberto Elli (6.) gewann. Nicht in Kastilien, sondern in der Pfalz hat sich Bölts diesmal vorbereitet. Die täglichen Trainingsfahrten zwischen zwei und vier Stunden dienten der Regeneration. "Denn die Kondition von der Tour ist ja noch da." Der Alto de Jaizkibel, 455 Meter hoch mit einem zehn Kilometer langen Anstieg von durchschnittlich 5,7 Prozent Steigung, türmt sich nach 190 Kilometern vor den Radlern auf. Dass Jan Ullrich über den steilsten Berg des Tages klettert und abermals durchfährt, erwartet Rudy Pevenage nicht. "Der Jaizkibel ist jetzt noch zu schwer für Jan." © 1999

Hartmut Scherzer

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