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Tennis: Drama im Kopf

Das Daviscup-Team trifft heute auf Russland – wie 1995, als Michael Stich gleich neun Matchbälle vergab und den Deutschen den Einpzug ins Finale vermasselte.

Die Tränen sind inzwischen getrocknet, der Schmerz wirkt aber auch zwölf Jahre später nach. Die bittere Erinnerung an die neun vergebenen Matchbälle von Moskau verfolgen nicht nur Michael Stich, der dem Daviscup-Team damals den ersehnten Einzug ins Finale vermasselte, auch der aktuellen Mannschaft haftet dieser Beigeschmack noch an. Denn die dramatische Niederlage 1995 war bis dato die letzte Halbfinalteilnahme der deutschen Mannschaft im prestigeträchtigsten Wettbewerb. Seither kämpfte man eher um den Verbleib in der Weltgruppe als um den Titel.

Noch vor zwölf Monaten wäre das Team um Kapitän Patrik Kühnen sogar fast abgestiegen. Ab dem heutigen Freitag könnte es eine Art Wiedergutmachung geben, denn das deutsche Team steht erneut in Moskau im Halbfinale. Anders als vor zwölf Jahren sind dieses Mal jedoch die Russen eindeutig in der Favoritenrolle. Nur wenig spricht jetzt für einen Überraschungserfolg der Deutschen.

Kühnen erzählt seinen Spielern oft, wie es sich anfühlt, die „hässlichste Salatschüssel der Welt“ in Händen zu halten, er gehörte zum Team, das vor 14 Jahren zum letzten Mal den Daviscup gewann. Nur allzu gerne würden es ihm Thomas Haas, Philipp Kohlschreiber, Alexander Waske und Philipp Petzschner gleichtun, für die es das erste Halbfinale ihrer Karriere ist. Für manchen von ihnen ist es dabei vielleicht schon die letzte Chance, den Titel zu erringen. „Manchmal haben wir es selbst verbockt, wenn die Möglichkeit da gewesen wäre. Und wie es im nächsten Jahr bei mir weitergeht, kann ich noch nicht sagen“, erklärte Haas, Nummer eins im Team und Sorgenkind gleichermaßen. Seit Mai plagt den 29-Jährigen wieder die zweifach operierte Schulter. Schmerzen und die Ungewissheit einer klaren Diagnose sind zum ständigen Begleiter geworden. Dass in Moskau ausgerechnet auf weichem Sand gespielt wird, entschied das russische Team nicht ohne Hintergedanken. Selbst im deutschen Team heißt es intern: „Tommy ist auf Asche eine Klasse schlechter als sonst.“

Zum Auftakt bekommt es Haas heute (11.00 Uhr, live im DSF) mit dem Sandplatzspezialisten Igor Andrejew zu tun, bevor sich Philipp Kohlschreiber gegen Nikolai Dawidenko wehren muss. „Kohlschreiber könnte zum Russenschreck werden“, glaubt zwar Haas, doch trotz Kohlschreibers Turniersieg in München und der in New York wieder aufsteigenden Formkurve gilt die russische Nummer eins nicht nur als unbeliebtester, sondern auch als unangenehmster Gegner unter den Tennisprofis. Diese Erfahrung durfte Haas zuletzt im Viertelfinale der US Open machen. Welche Wirkung zudem die Stimmung, die rund 10 000 Fans im Moskauer Olympiastadion machen werden, auf die Gäste haben wird, ist schwer vorhersehbar: „Jeder muss eben besser spielen als er kann“, sagt Kohlschreiber. „Wir erwarten das Schlimmste und hoffen auf ein bisschen Glück.“

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