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Safina

© dpa

Tennis: Heldinnen verzweifelt gesucht

In Paris zeigen sich erneut die Schwächen des Frauentennis: Es fehlen Klasse und eine echte Nummer eins.

Es dauerte nicht lange, bis am Mittwochnachmittag in der Münchner Zuschauerzentrale des TV-Senders Eurosport die Anrufe überhandnahmen. Wie es denn sein könne, dass man sich nun auch noch den dritten Satz zwischen Serena Williams und Swetlana Kusnezowa anschauen müsse, wo doch auf dem anderen Platz gerade das Match von Roger Federer begonnen hatte, lauteten die einhelligen Beschwerden erzürnter Zuschauer. Nicht das erste Mal seit Beginn der French Open, dass Zuschauer mit Unverständnis reagierten, wenn ein Frauenmatch lief, während zeitgleich vermeintlich interessantere Partien der Männer stattfanden.

Die Philosophie des Senders, ein spannendes Match zu Ende zu übertragen, kam nicht gut an, denn Frauentennis steht derzeit in der Gunst der Fans nicht besonders hoch im Kurs. Der Eindruck, das Niveau der Damen in Paris habe einen neuen Tiefpunkt erreicht, wird leicht erweckt. Favoritinnen wie Titelverteidigerin Ana Ivanovic oder Jelena Jankovic scheiterten früh und mitunter kläglich. Dafür standen plötzlich Spielerinnen wie die Slowakin Dominika Cibulkova oder Samantha Stosur aus Australien, an Position 20 und 30 gesetzt, im Halbfinale. So weit hatten beide es noch bei keinem Grand-Slam- Turnier gebracht. Doch während ein offenes Feld aus 128 Teilnehmerinnen, bei dem selbst Underdogs nun zu Titelkandidatinnen werden, durchaus positiv sein kann, wird es in Paris eher als Abwertung wahrgenommen. Ein Titel, den jedermann gewinnen könnte – was könne der schon wert sein?

Die teils schwachen Leistungen der Turniertage in Paris verstärken diesen Anschein. Hochklassiges Tennis boten die Frauen nur selten, auch Williams und Kusnezowa quälten sich mehr – und damit ebenso die Zuschauer –, als dass sie sich einen spannenden Viertelfinalkampf lieferten. Dabei standen sich die Nummer zwei und sieben der Welt gegenüber. Und dennoch, auch sie brachten es auf je rund 40 leichte Fehler und sechs Breaks. Qualität sieht anders aus. Zwei Tage zuvor hatten sich Jankovic und die unerfahrene Rumänin Sorana Cirstea sogar je 50 Fehler geleistet, in einem Dreistundenmatch, das sich wie Kaugummi hinzog. „Ich wusste nicht, wie gut sie spielen kann, aber ich weiß, wie gut ich spielen kann“, sagte Jankovic hinterher. Gezeigt hat die ehemalige Weltranglistenerste es aber nicht.

Doch der Eindruck des neuerlichen Tiefpunkts täuscht, vielmehr schleppen die Damen ihr Problembündel schon eine ganze Weile mit sich herum. Bis vor einem Jahr waren diese Defizite jedoch unter den großen Glamour-Kampagnen der Spielervereinigung WTA besser kaschiert. Alles drehte sich um die Teilzeitmodels Ivanovic und Maria Scharapowa, die eine ähnliche Rivalität an der Spitze aufbauen sollten, wie es Federer und Rafael Nadal bei den Herren getan hatten.

Dass das Spielniveau bei den Damen in der Breite jedoch weiter so wenig variabel war, fiel dem Zuschauer nicht so auf, wenn er von manch netter Verpackung abgelenkt wurde. Auch fielen dank der Glamour- Girls die immer noch präsenten Fitnessprobleme einiger Frauen nicht so auf. Womit die WTA nicht rechnen konnte, war, dass kurz nach Beginn der Kampagne Ivanovic sportlich in die Krise geraten und Scharapowa nach einer Schulteroperation zehn Monate ausfallen würde. Auch nicht, dass die Weltranglistenerste Justine Henin vor einem Jahr ihren sofortigen Rücktritt bekannt geben und ein nie dagewesenes Wechselspiel an der Spitze der Weltrangliste auslösen sollte.

Henin war die Letzte, die das Frauentennis wirklich dominierte. „Das Frauentennis braucht eine Chefin, eine Spielerin, die oben steht und viele Turniere gewinnt“, sagte Henin am Rande des Pariser Turniers. „Es ist schon sehr eigenartig, dass man im Moment nie weiß, was passiert.“ Im fast wöchentlichen Wechsel hatten sich seit Mai vorigen Jahres erst Scharapowa, dann Ivanovic, Jankovic, Williams und zuletzt Dinara Safina auf dem Thron abgelöst. Teils wurde das Gerangel zur Farce und zum undurchsichtigen Rechenexempel, bei dem der Fan den Überblick verlor. Das Fehlen einer klaren Hierarchie lähmt das Frauentennis. „Es ist eine Zeit des Wechsels“, sagt Safina, „aber es motiviert, weil jeder spürt, dass er eine Chance hat, an die Spitze zu kommen.“ Seit die Russin im April die Nummer eins wurde, hat die 23-Jährige 20 ihrer letzten 21 Matches gewonnen, stand seit Saisonbeginn fünfmal im Finale und gewann zwei Titel. Der wichtigste aber fehlt der Russin noch, um die Berechtigung der Führungsposition zu untermauern: ein Grand- Slam-Sieg. Gestern gelang ihr dazu ein weiterer Schritt: Safina besiegte Dominika Cibulkova 6:3, 6:3 und trifft im Endspiel auf ihre Landsfrau Swetlana Kusnezowa, die Samantha Stosur aus Australien 6:4, 6:7, 6:3 schlug.

Die WTA hat die Image-Kampagne „Looking for a hero?“ gerade wieder neu gestartet, dieses Mal mit 30 Spielerinnen. Vielleicht schafft es Safina ja, ein wiedererkennbares Image zu schaffen. Dem Frauentennis würde es guttun.

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