zum Hauptinhalt
Durchbeißen. Andrea Petkovic hat harte Zeiten hinter sich.

© dapd

Tennis: Petkovic tanzt wieder

Fast acht Monate lang war Andrea Petkovic verletzt und zweifelte an sich selbst – jetzt spielt sie endlich wieder Tennis.

Zwar dauerte die Rückkehr auf den Tennisplatz für Andrea Petkovic beim WTA-Turnier in New Haven nur zwei Runden. Doch damit lag die Darmstädterin laut ihrer eigenen Planungen im möglichen Soll. „Mein Ziel ist es, ein Match zu gewinnen. Das wäre schon riesig“, hatte Petkovic noch vor dem Vorbereitungsturnier auf die US Open (27. August bis 9. September) gesagt. Und ein Spiel hatte die 24-Jährige ja auch gewonnen, bevor sie am Mittwochabend der Slowakin Dominika Cibulkova 4:6, 1:6 unterlag.

Nach der siebeneinhalbmonatigen Leidenszeit, die hinter Petkovic lag, sei sie nervös gewesen und dermaßen aufgeregt, als habe sie befürchtet, sie hätte das Tennisspielen womöglich verlernt. Doch auch wenn sie sich schwertat in beiden Duellen, hatte sie nichts von ihrem Kämpferherz und ihrer leidenschaftlichen Willenskraft auf dem Platz eingebüßt. Genauso wenig wie ihren sehr eigenen Humor, der ihr längst die Sympathien auf der ganzen Welt eingebracht und der dem Frauentennis in dieser Saison merklich gefehlt hat. Und so fiel nach dem Matchball in der ersten Runde gegen die ungarische Qualifikantin Timea Babos alle Anspannung von ihr ab, als sie unter dem Gejohle der Zuschauer die Hüften zu ihrem berühmten „Petkodance“ kreisen ließ: Andrea Petkovic ist zurück auf der Tennisbühne.

„Wenn ich mir meine Saison bisher so betrachte, bin ich nur froh, dass ich mir nicht den Nacken oder sonst etwas gebrochen habe“, kommentierte Petkovic ihren Auftritt mit einem Augenzwinkern. Dabei gab es in den letzten Monaten viele Phasen, in denen der Frohnatur die gute Laune vergangen war. Im Januar hatte sie sich zunächst einen Ermüdungsbruch im unteren Rücken zugezogen, der die umtriebige Petkovic zum absoluten Nichtstun verdonnerte. „Als ich die Diagnose bekam, habe ich eine Stunde später meinen Flug auf die Malediven gebucht – es war der beste Urlaub meines Lebens“, meinte Petkovic, doch da wusste sie auch noch nicht, dass es nicht bei nur zwei Wochen Zwangspause bleiben würde.

Bis zur Fed-Cup-Relegation gegen Australien Mitte April dauerte es schließlich bis zu ihrer Rückkehr, jedoch erwischte es Petkovic schon in ihrer dritten Partie erneut. Sie knickte auf der Stuttgarter Asche gegen Viktoria Asarenka so unglücklich um, dass sie sich die Bänder im rechten Sprunggelenk gleich doppelt riss. „Ich wollte meinen Fuß heben, aber der hing nur schlapp herunter“, erinnerte sich Petkovic. Ihr Höhenflug war damit vorerst gestoppt. 2011 hatte sich Petkovic mit ihrem enormen Ehrgeiz und ihrer überragenden Fitness in drei Viertelfinals bei den vier Grand Slams und auf Platz neun der Weltrangliste vorgekämpft. Sie war angekommen in der Riege der Topspielerinnen und wollte noch mehr. Einen Grand-Slam-Sieg, die Nummer eins werden – ihre großen Träume schienen längst nicht mehr unrealistisch. Petkovic war selbstbewusst, traute sich alles zu.

Nun aber, nach weiteren vier Monaten zermürbender und zäher Rehamaßnahmen und dem Absturz auf Rang 43 der Welt, zweifelt Andrea Petkovic plötzlich, und sie hat Angst. „In einem halben Jahr entwickelt sich Tennis so schnell weiter“, sagte sie, „ich fürchte mich davor, ob ich mit den besten Spielerinnen noch mithalten kann, und ob ich wieder dorthin zurückkomme, wo ich war.“ Wer einmal in den Top Ten gewesen ist, der sei mit Rang 30 eben nicht mehr zufrieden, fügte sie hinzu: „Und das macht mir wirklich Angst.“ Petkovic sprach während ihrer Rückenverletzung viel mit ihrem Mentaltrainer, doch als sie umgeknickt war, wollte sie nur noch alleine sein. Sie sah diese Leidenszeit als eine Art Prüfung für sich.

„Ich fühlte, dass ich das alleine durchstehen muss“, sagt Petkovic, „und dass es einfach passieren musste, damit ich mich weiterentwickle und ein stärkerer und besserer Mensch werde.“ Ihre Hoffnung, es noch rechtzeitig zu den Olympischen Spielen zurückzuschaffen, erfüllte sich indes nicht. Und Petkovic brachte es nicht über sich, auch nur einen Ballwechsel der Einzelpartien aus London anzuschauen.

Sie lenkte sich ab und holte ein wenig von jenem normalen Alltagsleben nach, das Tennisprofis oft fehlt. Sie besuchte Konzerte, traf ihre Freunde, tat all die Dinge, die sie schon vor fünf Jahren während ihres Kreuzbandrisses aufrecht hielten. Damals war sie nach der achtmonatigen Pause stärker denn je zurückgekehrt. Auch dieses Mal ist das möglich, den ersten kleinen Schritt hat sie gemacht. Und wo sie früher kaum zu bändigen war, ist sie nun geduldiger geworden. Auch im Hinblick auf die US Open hat sie das bescheidene Ziel, „ein Match zu gewinnen.“

Zur Startseite