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Kurzes Tief. Im zweiten Satz musste Petzschner mit sich hadern.

© dpa

Tennis: Philipp Petzschner: Gemäßigter Filou

Die Zeiten, in denen Philipp Petzschner den Job als Tennisprofi vernachlässigte, sind vorbei. Nun steht er im Halbfinale von Halle. Auf Rasen fühlt er sich so zuhause wie nirgendwo sonst.

Man sollte meinen, ein Tennisprofi, der am nächsten Tag eine schwere Viertelfinalpartie vor sich hat, ginge nach einem ruhigen Abend zeitig ins Bett, um sich auf den nächsten Gegner zu konzentrieren. Auf die meisten Spieler trifft das auch zu, aber Philipp Petzschner hat sich noch nie in Normen einzwängen lassen. Er war immer etwas anders, hat getan, was er wollte. Und so stand Petzschner am Donnerstagabend noch mittendrin in der ausgelassenen Menge, die auf der Anlage im westfälischen Halle bei einem Konzert der Münchner Kult-Band Spider Murphy Gang die alten Zeiten aufleben ließ. „Ich genieße das einfach, ein paar Lieder zu hören und dann wieder ins Hotel“, sagte Petzschner. Doch die Zeiten, in denen der 27 Jahre alte Bayreuther das Leben in vollen Zügen genoss und das Profidasein vernachlässigte, sind vorbei. Als gemäßigter Filou ist er einsichtiger geworden, und so trat er am Freitagmittag ganz ausgeschlafen gegen den Kanadier Milos Raonic an – und bezwang ihn mit 6:3, 6:7 und 6:3. Auch Philipp Kohlschreiber zog durch ein 7:6 (7:4), 6:3 gegen den australischen Vorjahressieger Lleyton Hewitt wie Petzschner ins Halbfinale ein; ein deutsches Finale ist somit möglich.

„Das war ein sehr gutes Match von mir“, sagte Petzschner zufrieden, „und ich habe richtig gut retourniert, mein magisches Auge hat wieder funktioniert.“ Schon im Davis-Cup-Duell in Zagreb hatte ihm diese Gabe gegen Ivo Karlovic geholfen, dessen gewaltige Aufschläge Petzschner plötzlich lesen und entschärfen konnte. Und nun sollte es ihm gegen Raonic helfen, der die Bälle mit 230 km/h über das Netz schlagen kann. Retournieren ist da kaum möglich. Doch Petzschner gelang es, und er sollte den jungen Kanadier, den viele Experten in Kürze in den Top Ten sehen, damit zunehmend frustrieren. Raonic, der es in einer Partie schon mal auf über 30 Asse bringt, schaffte nur acht. Petzschner ließ nicht mehr zu und schlug seinerseits auch mit Tempo 217 auf. „Ich habe ihm keinerlei Rhythmus gegeben“, sagte Petzschner, der seinen im zweiten Durchgang allerdings auch kurz verlor. Leichte Fehler häuften sich, die Selbstbeschimpfungen auch. „Ich hab dann meine fünf Minuten im Match, das kenne ich schon“, sagte er einsichtig. Zu Beginn des dritten Durchgangs zog er sich wieder aus diesem Leistungstief heraus. Dass er zu den Spielern mit dem gefühlvollsten Händchen zählt, weiß Petzschner. Raonic bekam das mit zahlreichen butterweichen Volleystopps und perfekt platzierten Passierschlägen zu spüren.

Petzschner fühlt sich auf Rasen so zu Hause wie nirgendwo sonst. „Das sind jetzt die vier Wochen im Jahr, auf die ich mich am meisten freue“, sagte Petzschner, „Rasen ist mein bester Belag.“ Im letzten Jahr wurde er Wimbledonsieger im Doppel, war in Halle erst im Halbfinale an Roger Federer gescheitert. Der Schweizer fehlt hier, dafür bekommt es Petzschner heute mit dem Tschechen Tomas Berdych (Turniersieger von 2007) zu tun, der den Serben Viktor Troicki mit 7:6 (7:3), 6:1 bezwang. Florian Mayer schied 4:6, 4:6 gegen Gael Monfils aus.

Auch wenn Petzschner momentan nur an Position 71 der Rangliste geführt wird, braucht er sich nach seinen Auftritten in Halle sicher nicht zu verstecken.

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