zum Hauptinhalt
Über Westfalen nach Wimbledon. In Halle bereitet sich Roger Federer auf das Turnier in England vor, wo er wieder gewinnen will.

© dpa

Tennis: Roger Federer: Zum Siegen verdammt

Roger Federer geht mit großem Druck in die Rasen-Saison. In Wimbledon hilft ihm nur der Titel, wenn er Rafael Nadal in dieser Saison überhaupt noch einmal von der Spitze der Weltrangliste verdrängen will.

Roger Federer hatte viel Zeit bis zum Beginn seiner Partie. Die nutzte der wachsame Schweizer, um die Konkurrenz im Auge zu behalten. „Ich schaue schon ein bisschen hin“, sagte Federer und untertrieb dabei, denn er ist stets genau informiert, welcher Spieler wo gewonnen oder verloren hat. Manchmal, wie im beschaulichen westfälischen Halle, muss Federer dafür nicht einmal sein Hotelzimmer verlassen. Von seinem Fenster aus hat er Platz zwei bestens im Blick und schaute lange von dort Marco Chiudinelli zu, jedoch mehr aus Freundschaft. Der Luxus der kurzen Wege ist selbst für den Weltmann Federer eine Seltenheit in seinem Touralltag und wohl auch ein Grund, warum er das Turnier in Halle zu seiner persönlichen Wohlfühloase erklärt hat. Die familiäre Atmosphäre hat es ihm angetan, Federer kann sich völlig unbehelligt auf die Rasensaison vorbereiten.

Fünf Mal holte er hier bereits den Titel, das halbe Duzend soll am Sonntag perfekt sein. Mit dem souveränen 7:5, 6:3-Viertelfinalsieg gegen Philipp Kohlschreiber gelang ihm ein weiterer Schritt dorthin, und Federer schraubte dabei seine Rasenbilanz seit 2003 auf 75:1 hoch. „Ich bin schon wieder nahe an meinem besten Level auf Rasen“, sagte Federer, „mein Selbstvertrauen könnte kaum besser sein. Ich fühle mich richtig gut.“ Die Verbundenheit des Schweizers zu dieser Veranstaltung geht gar so weit, dass der 28-Jährige zum Wochenbeginn einen Vertrag auf Lebenszeit abschloss. Noch nie zuvor hat sich ein Tennisprofi derart festgelegt.

Frühestens im Herbst wieder ganz vorn

„Das ist wie eine Hochzeit“, scherzte Federer, doch dass die Verbindung mit Halle erst mit seinem Ableben geschieden wird, steht zu bezweifeln. Federer will sich zwar auch als zweifacher Familienvater noch nicht auf sein Karriereende besinnen, doch fest steht bisher nur, dass er bis zu den Olympischen Spielen 2012 in London weiterspielen möchte. Im Grunde sagt der Vertrag also nichts über seine genaue Dauer aus, sondern bekräftigt vielmehr, dass Federer seine Vorbereitung auf Wimbledon niemals bei einem anderen Turnier absolvieren wird – und er damit Rafael Nadal aus dem Weg geht. Denn Federers spanischer Widersacher hat sich seit vier Jahren dem parallel stattfindenden Turnier im Londoner Queen’s Club verpflichtet, so auch in dieser Woche im Anschluss an seine Renaissance als Beherrscher der Sandplätze. Mit seinem fünften Triumph in Paris hatte Nadal zudem Federer vom ersten Platz der Weltrangliste vertrieben. Jene Position, die Nadal vor einem Jahr an Federer nach dessen Wimbledon-Sieg verloren hatte.

Auch wenn Federer versicherte, er habe gerade trainiert, während Nadal am letzten Sonntag die French Open gewann, so hat er auch den Queen’s Club genauestens im Blick. Es war ihm nicht entgangen, dass der Weltranglistensiebte Andy Roddick, der ihm vor einem Jahr in Wimbledon im Finale unterlegen war, bereits vorzeitig ausschied. „Wenn man früh verliert auf Rasen, dann hat man nur noch Wimbledon“, erklärte Federer, „das ist zu wenig.“ Die Sorge gilt auch für ihn selbst. Er ist sich bewusst, wie viel in den nächsten Wochen für ihn auf dem Spiel steht. Will Federer zumindest bis Herbst die Spitze der Weltrangliste von Nadal zurückerobern, ist er zum Siegen quasi verdammt. „Das Ranking ist fair, aber sehr hart“, sagt Federer, „es gibt oft dramatische Änderungen und schnelle Wechsel.“ Er habe in den letzten zwölf Monaten zwei Grand-Slam- und mehrere Masters-Titel gewonnen und sei trotzdem nur Zweiter.

„Ich bin froh, wieder Nummer eins zu sein“, sagte dagegen Nadal, „das heißt, ich bin seit einem Jahr gut gewesen.“ Nur 310 Zähler trennen Federer und Nadal derzeit, doch in Wimbledon muss Federer als Titelträger allein 2000 Punkte verteidigen. „Rafael hat sich im Rankingsystem auch ohne Titel eine gute Position gesichert“, sagte Federer, „dabei hatte man ihn vor einem Jahr schon abgeschrieben.“ Entgangen war Federer auch nicht, dass Nadal am Donnerstag während seines Matches gegen den Usbeken Denis Istomin bei regnerischem Londoner Wetter am Bein behandelt wurde. „Für meinen Körper sind diese Bedingungen nichts“, sagte Nadal, „ich muss jetzt sicher gehen, dass diese Woche nichts passiert, sonst wäre es schwer, für Wimbledon bereit zu sein.“ In Queen’s schied am Freitag er jedoch im Viertelfinale gegen Feliciano Lopez aus.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false