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Sport: Tennis: Testspiel Olympia

Es war nach den US Open, als Thomas Haas sich im Bollettieri-Camp in Florida die Frage stellte, ob er überhaupt den strapaziösen Trip ans andere Ende der Welt antreten sollte. Zu den olympischen Spielen, was damals "null Aussicht auf Erfolg" versprach.

Es war nach den US Open, als Thomas Haas sich im Bollettieri-Camp in Florida die Frage stellte, ob er überhaupt den strapaziösen Trip ans andere Ende der Welt antreten sollte. Zu den olympischen Spielen, was damals "null Aussicht auf Erfolg" versprach. "Mein Rücken tat höllisch weh, an Training war nicht zu denken", erinnert sich Haas. Doch aus einer Laune des Augenblicks heraus und nach gutem Zureden des deutschen Team-Kapitäns Carl-Uwe Steeb beschloss Haas, "einfach mal hinzufahren nach Sydney". Schließlich "lässt man Olympia nicht sausen wie ein Kirmesturnier".

Selten hat der 22-jährige Münchner mit Wohnsitz Amerika in dieser verkorksten Saison so richtig mit einer Entscheidung gelegen: Als gestern der siebte Wettkampftag im State Tennis Centre an der Homebush Bay vorüber war, gehörte er zu den wenigen namhaften Gewinnern des olympischen Tennisturniers. Seelenruhig und spielerisch sicher qualifizierte sich der in Weltklasseform auftrumpfende Deutsche mit einem 7:6 (9:7), 6:3-Sieg über den spanischen Ex-Weltmeister Alex Corretja für ein Viertelfinal-Duell mit dem 201 Zentimeter langen Weißrussen Max Myrni. "Max ist ein Tier. Er ist einer der Spieler der Stunde", sagte Haas.

Dass Haas seinen ganz persönlichen Marathon-Tag im Stadion Homebush Bay nicht mit der perfekten Ausbeute an der Seite von David Prinosil abschließen konnte, kam für die Experten nicht überraschend: Gegen das kanadische Weltklasse-Doppel Sebastien Lareau/Daniel Nestor wurden den mit 0:6 und 4:6 unterlegenen Deutschen von vornherein nur Außenseiterchancen eingeräumt. "Da wäre schon ein halbes Wunder nötig gewesen", sagte Prinosil später ohne Anzeichen von Enttäuschung. Mit dem Viertelfinaleinzug, befand der Doppelspezialist, "haben wir ein ordentliches Ergebnis hingelegt."

Haas hatte zuvor als Einzelkämpfer in seinem bisher stärksten Spiel des Jahres 2000 den letzten gesetzten Tennisprofi in der oberen Auslosungshälfte zur Seite geräumt, den Mitfavoriten Alex Corretja. Auf dem Weg zum Goldmedaillen-Spiel am Donnerstag warte jetzt keiner mehr, sagt Steeb, "den Tommy nicht schlagen kann". Statt eines Terminstresses mit täglich zwei Matches konnte sich Haas nach dem erwarteten Doppel-Aus ganz auf seine Verpflichtungen als Solist konzentrieren und in Sydney einen Befreiungsschlag nach Verletzungen, konfusen Trainerwechseln und miserabler Terminplanung anvisieren. "Olympia ist zu einem großen Turnier für mich geworden", sagte Haas, sich ganz genau bewusst, welch verlockende Chance zur Wiedergutmachung er hier hat.

Für Haas könnte dieses Turnier unter dem Zeichen der olympischen Ringe auch ein Fingerzeig für den Tennisalltag sein. Seriöse Betreuung im Kreis der deutschen Mannschaft, erstklassige Betreuung durch die Teamärzte, dazu noch Top-Sparringspartner rund um die Uhr liefern ihm ein professionelles Umfeld, das er sich in eigener Verantwortung im Wanderzirkus noch nicht eingerichtet hat. "Wir haben alle gesehen, wie Tommy hier im Training mit den Kollegen aufgeblüht ist", sagte DTB-Sportwart Walter Knapper, "er muss jetzt auch nach den Spielen in Sydney in die richtige Richtung gehen." Auch Steeb wünschte sich, "dass Tommy häufiger in Deutschland Station macht und auch seine gesundheitlichen Probleme ein für allemal beseitigt". Dann sei er bald wieder reif für die Top Ten.

Haas lässt sich auch von der olympischen Atmosphäre inspirieren: "Es ist einfach toll, das zu erleben." Verbunden zu sein mit Athleten aus der weiten Welt des Sports, ist pure Motivation für den stimmungsabhängigen Profi: "Wenn man abends bei den 100-Meter-Finals war und die Atmosphäre aufgesogen hat, geht man selbst mit neuem Schwung auf den Platz." Haas hatte wie die anderen Tennisspieler auch keinerlei Eingewöhnungsprobleme: "Die Geschichte von den mosernden Millionären war doch glatt erfunden", sagt er. Selbst die Tatsache, dass Haas gerade mal akkurat in sein 190-Zentimeter-Bett im Athletendorf hineinpasst und nur gekrümmt in den Schlaf findet, tut der sonnigen Laune keinen Abbruch: "Ich hätte mich tot geärgert, wenn ich das hier ausgelassen hätte."

Der Spaß bei den australischen Gastgebern hält sich derweil in Grenzen: Das hoch gehandelte Trio mit Patrick Rafter, Lleyton Hewitt und Mark Philippoussis hatte sich am Sonnabend aufgelöst, als Philippoussis mit 6:7 und 2:6 gegen den Russen Jewgeni Kafelnikow verlor. Die Hoffnung der "Aussies" ruht im Einzel allein auf den Schultern der 19-jährigen Jelena Dokic, die durch einen Drei-Satz-Sieg über Amanda Coetzer ins Halbfinale einzog und gegen die gleichaltrige Elena Dementiewa (Russland) um einen Endspielplatz kämpft. Das zweite Halbfinalspiel bestreiten Venus Williams und Monica Seles.

Jörg Allmeroth

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