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Groenefeld

© dpa

Tennis: Triumph über den Tyrannen

Anna-Lena Grönefeld hat sich jetzt auch innerlich von ihrem Ex-Coach gelöst. In der Weltrangliste hat sie fast 300 Plätze gut gemacht.

Ihre Stimme überschlägt sich fast, als sie ein helles „Come on“ über den voll besetzten Grandstand herausbrüllt. Anna-Lena Grönefeld strahlt und reckt die Siegerfaust in Richtung ihres Trainers Dirk Dier, den es vor Freude nicht mehr auf seinem Sitz hält. Grönefeld hatte tatsächlich in der ersten Runde der US Open die an Position elf gesetzte Slowakin Daniela Hantuchova mit 6:4 und 6:2 scheinbar so leicht bezwungen, als wäre sie nicht ein Jahr von der großen Tennisbühne verschwunden gewesen. Und als hätte es die seelische Leidenszeit der 23-Jährigen nie gegeben. Die Faust, die Grönefeld in New York in die Höhe reckte, galt vor allem Rafael Font de Mora. Denn mehr als alles andere war Grönefelds Sieg ein Triumph über ihren ehemaligen Trainer.

„Es hat so viel Spaß gemacht, wieder auf so einem großen Platz zu spielen. Ich habe das richtig genossen“, sagte Grönefeld. Freude hat sie schon sehr lange nicht mehr dabei empfunden, nicht in den drei Jahren der Zusammenarbeit mit Font de Mora und schon gar nicht im letzten, dem schwierigen Trennungsjahr. Der Spanier hatte sie mit überhartem Training und strikter Gewichtskontrolle schikaniert, Niederlagen wurden mit extremem Straftraining geahndet. Zudem isolierte er Grönefeld von ihrer Familie und ihrem Umfeld, formte sie zu einem Menschen, der funktionierte und gehorchte. So wurde Grönefeld die Nummer 14 der Tenniswelt, doch der Preis, den sie für den sportlichen Erfolg zahlte, war hoch. Wie tief ihre seelischen Verletzungen sein mussten, ließ sich während des Abnabelungsprozesses im letzten Jahr erahnen, in dem sie massiv an Gewicht zulegte.

So verlor sie bei den French Open die Fassung und das Match, als der Spanier in der Box ihrer Gegnerin auftauchte und diese demonstrativ anfeuerte. In Wimbledon geschah ähnliches. Immer wieder brach sie in Tränen aus, Font de Mora hatte ihr jegliches Vertrauen in sich und andere Menschen genommen. Doch das alles läge nun hinter ihr, betonte sie: „Es ist immer noch ein Teil von mir, aber es ist abgehakt, und ich will auch nicht mehr darüber sprechen.“ Sie treffe jetzt eigene Entscheidungen und laufe „nicht mehr wie ein Roboter“ herum, sie habe nun ein Leben abseits des Platzes. In Saarbrücken hat sie eine eigene Wohnung bezogen, die sie während ihrer mehrmonatigen Turnierpause zu Jahresbeginn einrichtete.

„Ich war emotional noch nicht bereit zu spielen. Es ging nicht“, sagte Grönefeld. Sie selbst habe dann entschieden, im Mai wieder einzusteigen, mit vier Siegen bei kleinen Turnieren sammelte sie neues Selbstvertrauen. Dass sie dabei von der Öffentlichkeit weitgehend unbeobachtet blieb, tat ihr gut. In dieser kurzen Zeit arbeitete sie sich von Rang 436 auf 142 hoch, für einen direkten Platz im Hauptfeld von New York reichte es jedoch nicht. Dass sie sich willig durch die Qualifikation für die US Open durchgebissen hat, war für Dier schon ein Erfolg: „Man sieht einfach, dass Anna wieder will. Aber man kann nichts erzwingen. Wir müssen weiter Geduld haben.“ Dier hat Grönefeld behutsam wieder aufgebaut. Gemeinsam mit seiner Frau ist er ein wichtiger Bezugspunkt für sie geworden.

Ihren Biss hat Grönefeld ebenso wiedergefunden. Mit ihrem ungewöhnlich harten Aufschlag und den vor allem schnellen, aggressiven Grundschlägen ist sie dem Gros der Konkurrenz deutlich überlegen. Und sobald der Kummerspeck völlig abgebaut ist, wird sie wohl auch mit den Topspielerinnen wieder mithalten können. Wie weit es für sie noch nach oben gehen kann, vermag Grönefeld selbst nicht einzuschätzen, aber sie hat wieder Vertrauen in sich: „Mir hat doch auch niemand zugetraut, dass ich so schnell zurückkomme. Aber ich bin wieder da.“

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