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Sport: Testfahrt ins Glück

Robert Kubica startet als erster Pole in der Formel 1

Alexander Wurz sitzt da und ist glücklich. „Ich habe innerhalb von zwei Stunden 200 Anrufe gekriegt“, sagt der Österreicher. „Jeder wollte mir gratulieren.“ Im Alter von 32 Jahren hat der ewige Testfahrer der Formel 1 doch noch ein Renncockpit gefunden und wird in der kommenden Saison für Williams am Start stehen. Sechs Jahre lang hat er auf diese Gelegenheit warten müssen – fünfeinhalb Jahre länger als Robert Kubica.

Die Entdeckung der Saison wird nach beeindruckenden Testfahrten am Sonntag in Ungarn schon nach einem halben Jahr in der Formel 1 sein erstes Rennen bestreiten. „Es ist toll, der erste Pole in der Formel 1 zu sein“, sagt Kubica. An der Glückseligkeit der beiden beförderten Testfahrer änderte auch der Umstand nichts, dass sie ihren unerwarteten Karrieresprung im Wesentlichen sportpolitischen Beweggründen zu verdanken hatten. „Es zählt halt nicht ausschließlich die Leistung“, sagt Wurz, „es gibt eine Menge Faktoren, auf die es ankommt.“

Im Fall des Österreichers war der entscheidende Faktor wohl das Geld. Weil sein Teamchef Frank Williams sich die Dienste des Stammpiloten Mark Webber nicht mehr leisten konnte, schlug er ihm eine Gehaltskürzung vor. Webber lehnte ab. „Wir bedauern das“, sagte Williams. „Mark hat in diesem Jahr einen großen Schritt nach vorn gemacht.“ Webber wiederum ging mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes erstaunlich souverän um. Vermutlich, weil er schon eine andere Anstellung in Aussicht hat. „Alles ist unter Kontrolle“, verkündet der Australier gelassen. „Es wäre dumm, von Williams wegzugehen, ohne eine Alternative zu haben.“ Da Webbers Manager Flavio Briatore gleichzeitig das Renault-Team anführt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der 29-Jährige dort der Nachfolger von Fernando Alonso wird.

Für Wurz ist nicht entscheidend, wohin Webber gehen wird, sondern dass er überhaupt geht. „Es ist auf jeden Fall eine Erleichterung“, gibt der Österreicher zu, der seinen Platz als Stammpilot 2001 verloren hat. Die Zeit seitdem war nicht einfach. Es fliegen jedes Jahr mehr Leute ins All, als in der Formel 1 fahren, hat er gesagt, man müsse sich das eben hart erarbeiten. „Wenn ich nicht einen starken Willen gehabt hätte, wäre mir vielleicht die Puste ausgegangen“, sagte Wurz.

Robert Kubica steht noch am Anfang seiner Abenteuerreise. „Es ist toll, dass ich jetzt nicht mehr nur am Freitag fahren darf, sondern jetzt auch mal den Samstag und den Sonntag entdecken kann“, sagte der 21 Jahre alte Pole. Allerdings hat auch der Krakauer in seiner kurzen Laufbahn einige Steine aus dem Weg räumen müssen. „In Polen gibt es keinen Motorsport, deswegen habe ich auch keine große Unterstützung erhalten“, erzählt er. Niemand wollte ihn sponsern, „die meisten haben gelacht, als ich gesagt habe, dass ich in die Formel 1 will.“

1998 flüchtete er nach Italien und nahm dort fünf Jahre lang als Exot, dem seine Nationalität „nicht gerade geholfen“ hat (Kubica über Kubica) an Rennen teil. Und dort lernte er bereits in jungen Jahren die Tugend der Selbstständigkeit, die ihm schließlich zum Engagement als Testfahrer bei BMW verhalf. Angetan erklärt Teamchef Mario Theissen, dass Kubica nicht nur schnell, sondern auch mental stark sei, „weil er alles ohne Hilfe von außen geschafft hat“.

Für den letzten Schritt benötigte Kubica aber doch etwas Hilfe. Der frühere Weltmeister Jacques Villeneuve klagt seit seinem Unfall in Hockenheim über mysteriöse Kopfschmerzen. „Er ist nicht zur Rennbesprechung erschienen und hat uns danach mitteilen lassen, dass er in Ungarn nicht fahren kann“, sagt Theissen. Anlass zu Spekulationen über eine Disziplinarmaßnahme gibt der Teamchef mit seiner Bemerkung, es gebe keine Garantie für Villeneuve, im Falle der Genesung zurück ins Auto steigen zu dürfen. „Wir warten das Rennen ab und entscheiden dann.“ Nick Heidfeld, der andere BMW-Pilot, befürchtet sogar, dass Villeneuve nicht mehr zurückkehren wird. „Das wäre schade, denn wenn ich mir seine Leistungen anschaue, hat er nichts falsch gemacht.“ Aber in der Formel 1 geht es eben nicht immer nur nach Leistung.

Christian Hönicke[Budapest]

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