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Sport: The show goes on

Hürdensprinterin Nytra und Weitspringer Bayer holen Gold bei der Hallen-EM. Das ist Stoff für die nächste Inszenierung des Traumpaars, die den Blick auf die Leistungen verdeckt

Berlin - Vielleicht spielt die Torte ja wirklich eine Rolle. Carolin Nytra hat in Paris vor ihrem Start keine gegessen, das ist der Witz an der Geschichte. Eine Woche zuvor hat sie ein Stück Torte genommen, eine Gabel nur; es war Samstag, es war ihr 26. Geburtstag, es war okay, fand sie. Aber es war auch der Tag vor den deutschen Hallen-Leichtathletik-Meisterschaften. Sie gewann die 60 Meter Hürden deutlich, aber sie lief 7,93 Sekunden, das war nicht ganz okay, fand sie. „Vielleicht haben wegen der Torte ein paar Hundertstelsekunden gefehlt“, sagte sie.

In Paris lief sie 7,80 Sekunden, aber dass sie damit Hallen-Europameisterin geworden ist, das mussten erst Experten auf dem Zielfoto herausfinden.

Nytra holt am ersten EM-Tag Gold. Für die richtige Show der deutschen Leichtathleten, für ihre rührselige Inszenierung war es allerdings nötig, dass Sebastian Bayer im Weitsprung ebenfalls Gold holt. Und so kam es tatsächlich. Es ist die perfekte Erfolgsgeschichte des Traumpaars. Nytra und Bayer, das Liebespaar, gelten als das Vorzeigepaar der deutschen Leichtathletik, seit sie bei der Deutschen Meisterschaft in Ulm 2009 innerhalb von drei Minuten zwei Titel gewannen und Bayer mit seinen 8,49 Metern für eine national furiose Weite gesorgt hatte.

Bayer holte Gold mit 8,16 Metern, der 24-Jährige lieferte Stoff für die nächste emotionale Nytra/Bayer-Geschichte, die vor allem einen enormen Werbewert besitzt; für das Paar selber und für die deutsche Leichtathletik, die attraktive Gesichter braucht und gerade um eine Live-Übertragung bei ARD und ZDF von der WM 2011 kämpft. Aber insgesamt zehn Medaillen bei der Hallen-EM sind auch ein ganz gutes Argument.

Wie lange die Traumpaar-Nummer noch erfolgreich wirkt, ist ungewiss. Sie hängt natürlich in erster Linie von den Ergebnissen ab. Aber andererseits fehlt der Reiz des Neuen, zudem hat sich intern herausgestellt, dass der so vermeintlich nette Bayer zu schnöseligen Auftritten fähig ist. Gut vorstellbar, dass er das Bild des netten Schwiegersohn-Typen auch öffentlich langsam kaputtmacht. Aber die Fixierung auf diese Show-Kulisse verhindert auch den Blick auf die eigentlichen Leistungen von Nytra/Bayer.

Die Hürdensprinterin aus Mannheim hatte wegen einer Sehnenscheidenentzündung Trainingsrückstand, sie sagte als Vorsichtsmaßnahme ihren Finalstart beim Meeting in Düsseldorf ab. Dinge, die man nicht zu hoch bewerten muss. Aber dass sie dann in Stuttgart mit 7,92 Sekunden Jahresweltbestzeit rannte, das war nicht unbedingt zu erwarten. Und jetzt 7,80 Sekunden, eine starke Zeit.

Bayer stand sogar zweifach unter Druck. Er hatte 2009 bei der Hallen-EM mit sensationellen 8,71 Metern gewonnen – Hallen-Europarekord. Er wird seither, bewusst oder unbewusst, an dieser Weite gemessen, er steht unter dem Druck, eine Weite, die im Grunde genommen für ihn einmalig ist, zumindest annähernd regelmäßig zu bestätigen. Das kann in diesem Maße nicht gelingen.

Zudem war er monatelang verletzt, er musste sich erst wieder herankämpfen. 8,16 Meter sind für ihn derzeit eine gute Weite. Aber in Paris präsentierte sich Bayer, der Coole. Er hatte gewonnen? Ja, und? „Ich trete nie an, um Zweiter oder Dritter zu werden“, sagte er. „Ich will gewinnen.“ Das sind die markigen Sätze, die so gut klingen. Das sind aber auch die Sätze, die er bald bereuen könnte. Zweiter? Dritter? Alles halbe Niederlagen? In Stuttgart landete er auf Platz fünf mit 7,89 Metern, auch weil er mit der Anlage nicht zurecht kam. Das war im Februar. Aber vielleicht hatte Bayer das Gefühl, er müsse jetzt verbal nachlegen, weil in Stuttgart die Traumpaar-Show nur von einem Mitglied erfüllt worden war.

Carolin Nytra gewann ihr Rennen.

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