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Einseitige Umarmung. DFB-Präsident Theo Zwanziger (rechts) umgarnte Bundestrainer Joachim Löw schon während der WM in Südafrika – doch der lässt ihn mit Gesprächen über eine Vertragsverlängerung warten. Und machtlos erscheinen. Foto: ddp

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Theo Zwanziger: Tiefe Sehnsucht nach dem Privaten

Inmitten der Verhandlungen mit Bundestrainer Joachim Löw zeigt sich DFB-Präsident Theo Zwanziger seines Amtes müde – und löst im Verband Ratlosigkeit und Verwunderung aus.

Berlin - Theo Zwanziger hat oft den Eindruck vermittelt, er wolle dazugehören zur gesellschaftspolitischen Elite der Republik. Immer wieder hat der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in den sechs Jahren seiner Amtszeit die gesellschaftliche Rolle des Fußballs betont und damit auch sich selbst ein wenig wichtiger gemacht. Nun ahmt er den Politikbetrieb im Hang zur Amtsmüdigkeit nach. Am Wochenende überraschte Zwanziger den deutschen Fußball mit der Aussage, es sei „momentan völlig offen“, ob er sich im Oktober erneut zur Wiederwahl stelle. „Ich verspüre eine tiefe Sehnsucht nach dem Privaten“, sagte der 65-Jährige, der zuvor mehrmals eine erneute Kandidatur angekündigt hatte.

Am Montag wollte sich Zwanziger nicht mehr zu seinen Aussagen äußern, die er beim Treffen des Fußballverbandes Rheinland fallen gelassen hatte. Über einen Sprecher ließ er nur verbreiten: „Jeder Mensch, dessen Amtszeit zu Ende geht, hat das Recht, sich Gedanken zu machen, wie es mit ihm weitergeht.“ Aus Zwanzigers Umfeld hieß es, ihm habe die Kritik an seiner Amtsführung stark zugesetzt. Zudem wolle er mehr Zeit mit seinen Enkelkindern verbringen.

Wichtige Fußballfunktionäre zeigten sich verwundert über den Zeitpunkt der Debatte inmitten der heiklen Vertragsverhandlungen mit Bundestrainer Joachim Löw sowie über Zwanzigers angekündigte Konsequenzen. „Wir sind alle mindestens einmal in der Woche amtsmüde“, sagte Heribert Bruchhagen, Vorsitzender von Eintracht Frankfurt und Vorstandmitglied der Deutschen Fußball-Liga (DFL), dem Tagesspiegel. Daher nehme er die Abschiedsgedanken Zwanzigers nicht zu ernst, „denn erstens macht er seinen Job gut und zweitens gerne“. Auch DFB-Vizepräsident Hermann Korfmacher, der den Amateurfußball vertritt, ließ wissen, dass er nicht an einen Rückzug glaube. Aus DFB-Kreisen hieß es, Zwanziger lasse sich seit Wochen zur Weiterführung des Amtes bitten. Dass sich Profi- und Amateurvertreter für Zwanziger starkmachen, lässt sich durchaus als Verdienst des DFB-Chefs werten: Er hat es im Gegensatz zu seinem Vorgänger Gerhard Mayer-Vorfelder verstanden, die auseinanderstrebenden Kräfte des Fußballs zusammenzuhalten.

Nach den Krisen des vergangenen Jahres macht sich im DFB jedoch mehr und mehr Entsetzen über Zwanzigers Amtsführung breit. Für die geplatzte Vertragsverlängerung mit Bundestrainer Joachim Löw und seinem Team inklusive öffentlich gewordener Verhandlungsdetails wird der Jurist aus Altendiez verantwortlich gemacht. Nahezu machtlos muss sich Zwanziger nun die Bedingungen von Löw diktieren lassen, der nach dem dritten WM-Platz mit einer erfrischend aufspielenden Nationalmannschaft als nahezu unersetzbar gilt. Sollte Löw trotz aller Umarmungen Zwanzigers aufhören, wäre ein Rückzug des Präsidenten sowieso kaum noch abzuwenden.

Aus der Ratlosigkeit vieler Funktionäre („Vielleicht hat ihn ja der Druck zu sehr belastet“) lässt sich aber auch ein wesentliches Versäumnis Zwanzigers ablesen: Hinter ihm versammeln sich kaum noch profilierte Köpfe, die das Format zur Präsidentschaft haben. Der 59 Jahre alte Generalsekretär Wolfgang Niersbach hat sich zwar gut in Stellung gebracht, gilt aber vielen Kennern noch als zu unerfahren. Zudem wird auch ihm eine operative Mitschuld an den gescheiterten Gesprächen mit Löw gegeben. Ebenfalls ein möglicher Kandidat wäre der Chef des mächtigen bayerischen Fußballverbandes Rainer Koch. Der hatte in der pikanten und für den DFB unvorteilhaft verlaufenen Affäre um einen möglichen Amtsmissbrauch von Schiedsrichterobmann Manfred Amerell schnell seine Zuständigkeiten abgegeben – auch aus Enttäuschung über Zwanzigers Lavierkurs in dieser Sache. Als Kompromisskandidat für den Übergang wird außerdem der jetzige Schatzmeister und frühere Generalsekretär Horst R. Schmidt genannt. Niersbach, Koch und Schmidt wollten sich gestern nicht äußern.

Der DFB steht nun vor aufregenden Tagen. Bis zur Präsidiumssitzung am Freitag kommender Woche sollen die brisanten Personalien Löw und Zwanziger geklärt sein – dass sie zusammengehören, wurde gestern im DFB allseits dementiert. Um Löw zu gewinnen, muss Zwanziger vor allen Dingen einen Kompromiss zwischen Löw und Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff auf der einen Seite sowie DFB-Sportdirektor Matthias Sammer auf der anderen Seite finden. Hier geht es etwa um die Zuständigkeit für das U-21- Nachwuchsteam, die Sammer für sich beansprucht. Sollte Löw aufhören oder im DFB-Präsidium auflaufen, steht Sammer als Ersatz bereit. An der DFB-Spitze gäbe es eine solch einfache Lösung nicht. „Der DFB wird sicher nicht untergehen, wenn Herr Zwanziger nicht mehr da ist“, sagt ein hochrangiger Funktionär. „Aber er könnte ein guter Präsident sein, wenn er sich auf sein Amt konzentrieren würde.“

Wie es scheint, hat darauf Theo Zwanziger gerade nicht mehr die ganz große Lust.

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