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Sport: Theorie statt Touchdown

Berlin Thunder glaubt nach fünf Niederlagen noch ans Finale

Berlin. Es hatte schon groteske Züge, was da nach dem Spiel von Berlin Thunder gegen den FC Barcelona Dragons in den Katakomben des Olympiastadions passierte. Die Spieler des zweifachen Titelträgers der NFL Europe waren nach der 20:23-Niederlage gegen die Spanier deprimiert, und ihr Trainer saß bei der Pressekonferenz und versprühte den immergleichen Optimismus: „Jetzt wird es natürlich schwierig, noch in den World Bowl einzuziehen. Aber solange die theoretische Chance besteht, werden wir nicht aufhören, daran zu glauben."

Solche Sätze waren angesichts der fünften Niederlage im siebten Spiel und der abgeschlagenen Position am Tabellenende ebenso unglaublich wie die Zuschauerzahl, die Thunder offiziell bekannt gab: 11 766. Wer beim ersten Heimspiel mit deutlich volleren Rängen und einer nur unwesentlich höheren Zuschauerzahl anwesend war, musste glauben, dass sich ein Teil der Fans ständig außerhalb der Tribünen aufhielt.

Dabei gab es im Stadion durchaus ein spannendes Footballspiel zu sehen. Beide Teams wechselten sich regelmäßig in der Führung ab, und man hatte wie schon vor einer Wochen in Barcelona nicht den Eindruck, dass hier der Tabellenletzte gegen den Ersten spielt. Doch im Gegensatz zum Hinspiel machten die Spanier in Berlin weniger Fehler und brachten mehr Spielzüge zum Punkterfolg. Der Titelverteidiger aus Berlin spielte gut mit – wie schon bei drei der vier anderen Niederlagen. Am Ende hatte Thunder einfach weniger Glück.

Im Fußball oder Eishockey wäre sicher längst die Trainerfrage gestellt worden, aber das ist in der von Amerika aus gesteuerten Liga nicht ganz so einfach. Zum einen ist ein Trainerwechsel ein komplexer Prozess, bei dem nicht nur die Teammanager der sechs europäischen Klubs ein Mitspracherecht haben, sondern auch die amerikanische Liga NFL. Ohnehin lässt sich die NFL Europe nicht mit einer kontinuierlichen Liga vergleichen. Jedes Jahr kommen durchweg neue Spieler. Ein Trainer muss in nur wenigen Wochen eine funktionierende Mannschaft formen, die vorher noch nie zusammen gespielt hat. In dieser taktisch komplexen Sportart ist das nicht leicht. Mal gelingt es einem Trainer wie Peter Vaas, gegen alle Erwartungen mit Thunder den Titel zu holen – wie in den vergangenen zwei Jahren. Mal gelingt es nicht – wie in diesem Jahr.

Nun bleiben Vaas noch drei Spiele, um den Boom nach den zwei World-Bowl-Siegen nicht abebben zu lassen. Mit einem Sieg kommende Woche gegen Rhein Fire in der Arena Auf Schalke vor mehr als 30 000 Zuschauern könnte er sich mit seinem Team immerhin ein wenig rehabilitieren.

Ingo Wolff

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