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Sport: Thunder-Coach Wes Chandler leistet Aufbauhilfe Ost in der uramerikanischen Sportart

Die Spaziergänger auf der Oderinsel Ziegenwerder staunten nicht schlecht über den Anblick von 50 American-Football-Spielern, die im Stile der US-Army in Reihe standen und im vorgegebenen Rhythmus ihres Coaches wie Hampelmänner Arme und Beine bewegten. Ein ungewöhnlicher Anblick - jedenfalls in Frankfurt an der Oder.

Die Spaziergänger auf der Oderinsel Ziegenwerder staunten nicht schlecht über den Anblick von 50 American-Football-Spielern, die im Stile der US-Army in Reihe standen und im vorgegebenen Rhythmus ihres Coaches wie Hampelmänner Arme und Beine bewegten. Ein ungewöhnlicher Anblick - jedenfalls in Frankfurt an der Oder. Bei den Spielern stand auch die Football-Legende Wes Chandler, einst Super-Bowl-Gewinner und heute Chef-Trainer der Berlin Thunder. Der staunte ebenfalls, allerdings mehr darüber, was sich in der Grenzstadt in den vergangenen fünf Jahren im Football getan hat.

Damals war Frankfurt Football-Provinz, die Red Cocks als Verein gerade gegründet. Noch besaßen sie aber wenig Kenntnisse von einer Sportart, die man in der DDR allenfalls dem Namen nach kannte. Doch das änderte sich schnell. Die "Roten Hähne", mehrheitlich ehemalige Fußballer und Kampfsportler, stiegen bis zur Oberliga auf. Heute stehen sie kurz vor ihrer ersten Saison in der Regionalliga.

Wes Chandler beschränkt sich bei seinem Gastspiel nicht auf die Beobachterrolle. Im Training greift er selbst zum Ei, um den Werfern den richtigen Dreh beim Passen zu zeigen. Dass er bei dem ambitionierten Aufsteiger Station macht, ist kein Zufall, sondern gezielte Aufbauhilfe für das in Sachen Football strukturschwache Berliner Umland. Mit dem Programm will Thunder seine Position in der NFL Europe festigen.

Die Idee stammt von Shuan Fatah, dem Thunder-Coach der Running Backs. Für Chandler, den ehemaligen Wide Receiver der San Francisco 49ers, ist die Nachwuchsarbeit wichtigste Voraussetzung für einen erfolgreichen Sport. "Nur wer an der Basis gut arbeitet, kann auch nach oben kommen. Jeder fängt erst mal ganz unten an", sagt Chandler und fasst einem Jungen, der ihm gerade bis zur Hüfte geht, auf den Kopf. "Als ich so alt war wie du, habe ich immer davon geträumt, ein Profi zu werden. Du kannst es vielleicht auch werden." In den USA betreut Chandler bereits ein Programm für insgesamt 2500 Nachwuchssportler. Doch nicht nur die Thunder-Talente können von der Zusammenarbeit mit den Red Cocks profitieren. Neben Headcoach Thomas Breddermann sollen zudem zwei weitere Trainer engagiert werden, die Thunder finanziert. Dem Team verspricht Chandler spontan eine neue Ausrüstung. "Ich verspreche es aber nicht nur, sondern ich verpflichte mich dazu. Versprechen werden oft gebrochen."

Der Amerikaner zeigt sich beeindruckt vom disziplinierten Training und dem Umfeld der Red Cocks. Die Bedingungen sind auch gut für eine Mannschaft dieser Klasse: Neben dem Stadion der Freundschaft, dem Heimspielort der Roten Hähne, steht im Winter eine Traglufthalle zur Verfügung. Und der mehr einem Acker ähnelnde Platz auf Ziegenwerder, einer Insel im Flusslauf der Oder, die an einen Ort aus "Tom Sawyer und Huckleberry Finn" erinnert. Dass die Red Cocks erfolgreich sind, ist auch deshalb wichtig für Frankfurt, weil es kaum Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche gibt. Deshalb haben die Footballer auch großen Zulauf. Hinter den Bundesliga-Handballerinnen sind sie bei den Zuschauern bereits die Nummer zwei in der Stadt.

Ingo Wolff

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