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Tiger Woods: Es fehlt nur die Hornhaut

Tiger Woods benötigt beim US Masters nur zwei Runden, um alle Zweifel an seiner Leistungsstärke auszulöschen.

Man muss genau hinsehen, um die Unterschiede zu erkennen. Die schwarze Sonnenbrille ist ungewohnt, zwei seiner Finger sind mit Tape umwickelt – die Hornhaut an den Fingern fehlt, Blasen haben sich gebildet. Das ist alles. Ansonsten ist dies der Tiger Woods, den die Golfwelt kennt: muskelbepackt, dominant, spielerisch überzeugend. Sein 16. US Masters läuft eigentlich nicht wesentlich anders als all die anderen davor. Mit der kleinen Ausnahme, dass er in Runde eins erstmals überhaupt in Augusta eine Runde unter Par gespielt hat. Zwei Schläge trennen ihn nach zwei Runden von den Führenden. Er liegt gut im Rennen für seinen fünften Masters-Sieg – und er ist bester Dinge. „Ich fühle mich gut, richtig gut“, sagt er. „Ich bin zwei Schläge zurück. Es ist schön, wieder zurück zu sein und vorne mitzuspielen.”

Wer glaubt, er wolle sich verstecken hinter den schwarzen Sonnenbrillen-Gläsern, täuscht. Die unzähligen Pollen, die in kleinen Wölkchen über den Platz fliegen, machen ihm zu schaffen. Ansonsten aber ist auch das letzte Stückchen Unbehagen gewichen, das ihn noch während seiner ersten Runde auf den Platz verfolgte. Nein, keiner der anderen Spieler hat ihn geschnitten oder kritisiert; Nein, die Zuschauer haben ihn nicht ausgebuht oder totgeschwiegen; Nein, keiner der Journalisten hat ihn mit Fragen nach seiner Ehe bombardiert. Es ist an der Zeit, sich auf den Job zu besinnen, Golf zu spielen, ein Turnier zu gewinnen.

Man könnte meinen, dass dies ein wenig schwer fällt nach fünf Monaten Pause, die er bekanntlich nur teilweise zum Training nutzen konnte. Er hat sechs Wochen zu Beginn des Jahres in einer Reha-Klinik verbracht, später dort einen zweiten Besuch eingelegt. Vor seinem Start in Augusta waren viele Fragen offen: Würde er sich konzentrieren können? Wie stabil ist sein Golfschwung? Hat er sein Gefühl und den Rhythmus beim Putten? Wie wichtig ist ihm dieser Golfsport überhaupt noch?

Woods hat nur 36 Löcher gebraucht, um diese Fragen zu beantworten. Er wirkt hochkonzentriert auf dem Platz, angespannt bis in den letzten Nerv. Da fliegt schon mal ein Schläger zu Boden, wenn der Ball nicht genau das tut, was er will. Woods steckt mittendrin in diesem Spiel, so wie eh und je. Den Ball trifft er besser, als jeder Außenstehende erwartet hat. Ihn selbst überrascht das nicht. „Meine Trainingseinheiten verliefen sehr konstant“, sagt er. „Wir haben auf dem Weg in dieses Turnier richtig gut gearbeitet und ich habe mich eigentlich bei allen Teilen meines Spiels sehr wohl gefühlt.“ Unsicherheit spürte er selbst allein wegen des Puttens, aber auch das hat sich gelegt. „Ich habe hier eigentlich sehr schnell wieder das Gefühl für das Putten gefunden. Das ist wichtig, weil die Grüns beim Turnier hier immer anders sind, als wenn man sie vorher spielt.“ 29 Putts in Runde zwei jedenfalls waren ein erstklassiges Ergebnis.

Wer diesen Woods in Augusta beobachtet, realisiert ziemlich schnell: Der Mann hat seine Welt wieder gefunden, den Wettkampf, die Auseinandersetzung mit winzigen, aber sehr entscheidenden Kleinigkeiten auf dem Golfplatz. „Ich musste über den Sprinkler zielen, aber den Ball kurz vor dem Grün aufkommen lassen. Genaugenommen habe ich auf einen Punkt zwei Zentimeter hinter dem Sprinkler gezielt“, beschreibt er einen seiner Annäherungsschläge. Woods ist Perfektionist, detailversessen, obendrein ein Arbeitstier.

Die wenige Zeit zum Training während der vergangenen Wochen hat er minutiös genutzt. „Ich hatte ja nicht den Luxus, zur Vorbereitung auf diese Veranstaltung ein paar Turniere spielen zu können“, sagt Woods. „Ich musste mich einfach erheblich mehr auf meine Trainingseinheiten konzentrieren und versuchen, mehr aus ihnen mitzunehmen, als es die meisten anderen Leute tun würden.“ Sein Ziel, Jack Nicklaus’ Rekordmarke von 18 Major-Titeln einzuholen, ist unverändert. Nummer 15 jedenfalls ist in greifbare Nähe gerückt.

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