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© AFP

Tischtennis: Chinas Muss-Medaille

Chinas Tischtennisspieler verteidigen die nationale Ehre und holen Gold im Finale gegen Deutschland. Timo Boll hofft nun auf eine Revanche im Einzel.

Coole Chinesen, die in staatlichem Auftrag locker die Goldmedaillen gewinnen? Wie kleine Jungs lagen sich die chinesischen Tischtennisspieler nach dem letzten gewonnen Punkt in den Armen und steckten die Köpfe zusammen. Ihr Trainer Liu Guoliang hielt eine kleine Ansprache, und als die drei Spieler und ihr Trainer die Umklammerung lösten, hatten alle verheulte Gesichter. Das sah auch nicht danach aus, als hätten sie ihre Gegner im Endspiel um die Goldmedaille nicht ernst genommen, aber eine Chance, die haben sie der deutschen Mannschaft beim 3:0 nicht gelassen.

Auf eine kleine Chance, auf ein kleines Zittern und Wackeln der Chinesen hatten die Deutschen jedoch vor dem Finale so sehr gehofft. „Da war nichts zu machen. Sie haben wirklich am Limit gespielt", sagte Timo Boll. „Wir haben alles dafür getan, dass wir dieses Finale gewinnen. Aber die Chinesen haben es wirklich verdient, diesen Titel zu gewinnen", sagte Bundestrainer Richard Prause. Es war kein spannendes Endspiel, dafür waren die Chinesen zu dominant, aber es war eines, in dem sie zeigten, was man alles anstellen kann mit einem Schläger, einem kleinen Ball und einem austrainierten Körper.

Eine chinesische Niederlage wäre eine Blamage gewesen

Und so freuten sich die Chinesen auch. Seine emotionale Festrede sei ganz einfach gewesen, sagte Trainer Liu Guoliang: „Ihr Jungs seid die Größten, ich bin so stolz auf euch, ihr habt wirklich niemanden enttäuscht." Das deutete ein bisschen von dem Druck an, den die chinesische Mannschaft in diesem Spiel hatte. Es war das erste olympische Mannschaftsendspiel im Tischtennis, die Teamwettbewerbe hatten für diese Olympischen Spiele die Doppelkonkurrenzen aus dem Programm verdrängt. Das wäre nicht passiert, wenn es die Chinesen nicht so gewollt hätten, denn Tischtennis ist ihr Nationalsport und im Weltverband geschieht fast nichts ohne ihre Zustimmung.

Eine Niederlage wäre eine Blamage gewesen, da hätte die deutsche Mannschaft noch so stark spielen können in der Sporthalle der Universität Peking, in die knapp 8000 Besucher gekommen waren, sie war damit bestens gefüllt. Gerade an dem Tag, an dem Nationalheld Liu Xiang im Hürdensprint verletzt ausgeschieden war, an diesem Tag war es umso wichtiger, die nationale Angelegenheit Tischtennis erfolgreich zu präsentieren.

Boll gewann nur einen Satz

„Das war eine Muss-Medaille", sagte Liu Guoliang. Als ob das nicht schon genug Druck gewesen wäre, sagte Liu Guoliang, selbst 1996 in Atlanta Olympiasieger im Einzel, zu seinem Spieler Wang Hao: „Deine beiden Kollegen Ma Lin und Wang Liqin haben schon eine Goldmedaille. Du hast nichts. Also musst du heute dein Bestes geben." Damit hatte Liu Guoliang auch auf Olympia vor vier Jahren angespielt, als Wang Hao im Einzelfinale gegen den Südkoreaner Ryu Seung Min verloren hatte. Für die Chinesen eine bittere Niederlage. Wang Hao machte aus Druck Leistung. Der erst 19 Jahre alte deutsche Aufsteiger Dimitri Owtscharow wehrte sich tapfer, aber er konnte keinen Satz gewinnen. Wang Hao spielte wie im Rausch.

Auch Boll erging es anschließend nur wenig besser. Er konnte Ma Lin gerade einmal einen Satz abtrotzen. Im Doppel gewannen Boll und Christian Süß anschließend ebenfalls noch einen Satz. Dann war das ganze Spiel auch schon vorbei.

Revanche im Einzel?

Wenn Timo Boll sich im Einzelwettbewerb bis ins Viertelfinale vorkämpft, würde er wohl noch einmal auf Ma Lin treffen. „Ich traue mir im Einzel einiges zu und denke, dass ich mich noch steigern kann", sagte Boll. Im Einzel hofft er darauf, dass der Druck auf den Chinesen hoch bleibt und vielleicht sogar noch steigt. Schließlich kann dann keiner mehr für den anderen einspringen wie im Mannschaftswettbewerb.

Die Deutschen selbst fühlen sich dagegen vom Druck befreit. „Wir haben schon unsere Medaille im Gepäck. Das ist das, was wir uns vorgenommen hatten", sagte Christian Süß. Und mit ein wenig Abstand werden sie sich vielleicht auch noch darüber freuen: dabei gewesen zu sein in einem historischen Tischtennis-Endspiel.

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