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© dpa

Tischtennis: Deutsche sind einsam in Europa

Die deutschen Tischtennisspieler dominieren ihren Kontinent – und blicken nun Richtung China. Tatsächlich war Deutschland sowohl in der Breite als auch der Spitze noch nie so stark besetzt wie heute.

Das deutsche Tischtennis ist wirklich oben angekommen. Das sieht man daran, dass es sich mit Problemchen befasst, die die Konkurrenz gerne hätte. In jedem anderen europäischen Team besäßen Spieler wie Patrick Baum und Bastian Steger einen Stammplatz – inklusive des Finalisten Dänemark. Beim alten und neuen Mannschafts-Europameister sind sie nur Ergänzungsspieler. Sogar die beiden Trainer, Bundestrainer Richard Prause (ehemaliger Nationalspieler) und Assistenztrainer Jörg Roßkopf (Olympiadritter im Einzel), würden bei der EM in Stuttgart große Teile der Konkurrenz noch in Verlegenheit bringen. Prause genießt das alles. „Wir sind fünf Spieler und haben ein gesundes Konkurrenzdenken“, sagt er.

Tatsächlich war Deutschland sowohl in der Breite als auch der Spitze noch nie so stark besetzt wie heute. Hinter dem Europaranglisten-Ersten Timo Boll (28 Jahre) und dem -Vierten Dimitrij Owtscharow (21), der im Einzel jedoch überraschend in Runde zwei ausschied, lauern Christian Süß (24) als Elfter, Baum (22) als Zwölfter und Steger (28) als Neunzehnter. Wer soll diese Versammlung an Topspielern in Europa künftig schlagen? Zumal sie in dieser Besetzung noch ein Jahrzehnt weiterspielen könnten. 49 Jahre lang hatte der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) bei einer Europameisterschaft vergebens versucht, einen Mannschaftstitel bei den Männern zu gewinnen. Nun also gleich dreimal hintereinander: 2007, 2008 und 2009. Doch eine solche Dominanz kennt man aus der Geschichte.

Damals hießen die Spieler Jan-Ove Waldner, Jörgen Persson, Mikael Appelgren und Erik Lindh. Zwischen 1986 und 1992 gewann Schweden vier EM-Titel in Folge. Ist Deutschland also das neue Schweden? Für Europa gilt das wohl. Aber für mehr noch nicht. „Schweden war damals auch im globalen Maßstab die Nummer eins“, erklärt Bundestrainer Prause. Drei WM-Titel in Folge (1989, 1991, 1993) sowie ein Nachzügler im Jahr 2000 zeugen von der überragenden Stärke der Skandinavier. Die alten Helden profitierten allerdings auch von einer etwas schwächeren asiatischen Phase. „Die Schweden haben damals viele Generationen von Chinesen verschlissen“, sagt Prause. „Die jetzige Generation lässt sich aber nicht so leicht verschleißen.“ Allen voran Olympiasieger Ma Lin (29 Jahre) und der dreimalige Weltmeister Wang Liqin (31), die bis 2012 weitermachen wollen. Frühere chinesische Topspieler habe deutlich jünger aufgehört.

„Wir müssen uns an Asien und vor allem China orientieren und heranarbeiten, um die Position in Europa zu halten“, erklärt Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig. „Europa ergibt sich nicht kampflos.“ Das war auch in Stuttgart zu sehen. Zwar verzichtete der spätere Finalgegner Dänemark im Gruppenspiel auf Spitzenspieler Michael Maze, um ihn zu schonen. Schweden wehrte sich bei der ersten EM ohne einen der alten Weltmeister im Viertelfinale (3:1) dafür nach Kräften.

Die europäische Dominanz muss Jahr für Jahr hart erkämpft werden. Prause spricht davon, dass die Mannschaft sich „jedes Mal wieder neu erfinden muss, denn Stillstand ist Rückschritt“. Das haben die deutschen Spieler bisher tatsächlich verinnerlicht. Allen voran Timo Boll, der seine einmalige Erfolgsserie nur durch Konzentration auf das jeweils nächste Spiel starten konnte. Verwalten ist nicht, neu erkämpfen ist angesagt.Ihre Gegner wollen die Deutschen nicht ermüden, sondern wach halten. „Wichtig ist es, dass wir in Europa wieder Konkurrenz bekommen“, sagt Schimmelpfennig. Was für ein Problem.

Jörg Petrasch[Stuttgart]

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