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Tischtennis-EM - Timo Boll

© dpa

Tischtennis-EM: Bescheidener Sieger Timo Boll

Der deutsche Tischtennisstar Timo Boll holt drei Mal Gold bei der EM. Zum Abschluss des Turniers in St. Petersburg siegt er auch noch im Einzel.

Timo Boll ist ein bescheidener Mensch. Nach seinem EM-Halbfinal-Erfolg über den Österreicher Werner Schlager standen in den folgenden sechs Stunden zwei Endspiele an. Und der 27 Jahre alte Tischtennisspieler wäre zur Not auch mit der Hälfte zufrieden gewesen. „Ein Finale möchte ich mindestens noch gewinnen“, sagte Boll beinahe entschuldigend. Doch am Schlusstag der Europameisterschaften in St. Petersburg hingen dem Deutschen zwei Goldmedaillen um den Hals: eine bekam er für das Doppel mit Christian Süß, und eine bekam er für das Einzel, durch den Sieg über seinen Dauer-Rivalen Wladimir Samsonow aus Weißrussland. Zusammen mit dem Team-Gold vom Dienstag erspielte sich Boll bei der EM alle möglichen drei Titel. Damit verewigte er sich in der 50-jährigen EM-Geschichte als einziger Spieler, der diesen Dreifach-Triumph erfolgreich verteidigen konnte.

Boll ist der einzige Spieler, der bei einer EM alle drei Titel verteidigen konnte

Doch Timo Boll blieb trotz dieser historischen Leistung bescheiden. „Statistik war noch nie meine Stärke“, sagte der Linkshänder. „Aber ich bin sehr zufrieden mit den drei Titeln.“ Bundestrainer Richard Prause fehlten nach der grandiosen Vorstellung seines Vorzeige-Spielers anfangs die Worte. „Timo ist ein außergewöhnlicher Sportler“, erklärte er schließlich. „In neun Tagen hat er 83 Sätze gespielt, und das beste Spiel am Schluss gemacht.“ Das war aber auch notwendig. In der Neuauflage des Endspiels vom vergangenen Jahr traf der Europameister auf den Europaranglistenersten. Und erneut ließ Boll dem 31-jährigen Weißrussen wenig Chancen, sein durchdachtes und sicheres Spiel zu entfalten.

Nachdem Boll den ersten Durchgang verloren hatte, spielte er immer mehr seine überlegene Physis aus und verwickelte Wladimir Samsonow in lange Topspin-Duelle, bei denen meistens der flinke Deutsche punktete. „Timo hat sehr sicher gespielt und gleich aggressiv auf meine Aufschläge reagiert“, analysierte Samsonow. Am Ende gewann Boll das Endspiel mit 4:2-Sätzen.

Diese Leistung ist nicht hoch genug zu bewerten. Denn acht Wochen nach dem Saison-Höhepunkt Peking noch einmal die Olympia-Form zu entwickeln, ist extrem schwer. Aber Boll profitierte in St. Petersburg von der harten Vorbereitung auf Peking. „Dort habe ich gelernt, mich jeden Tag zu quälen und an die Grenze zu gehen“, sagte Boll. Und das musste der Deutsche am Sonntag gleich zweimal. Das Doppel-Finale gegen die österreichisch-holländische Kombination Werner Schlager/Trinko Keen endete zudem eine Stunde vor dem Einzel-Finale und ging über die volle Distanz von sieben Sätzen. Boll und sein Partner Christian Süß holten bei ihrem 4:3-Sieg einen 1:3-Rückstand auf. Und Boll musste sich während des Finales die Frage stellen: Reichen meine Kräfte noch für das Einzel? Aber der Weltranglistensiebte versuchte erst gar nicht, damit hauszuhalten. „In einem Finale will ich immer gewinnen“, sagte er.

Eine Stunde vor dem Beginn des Einzels triumphierte Boll im Doppel

Auch für Süß war dieses Doppel-Finale sehr wichtig. Der 23-Jährige fand während der gesamten EM nicht zu seiner Form. Im Einzel verlor er bereits in der ersten Runde.Im Doppel begann er jedes Mal durchwachsen, steigerte sich aber. „Für mich ist es wichtig, dass das Turnier positiv zu Ende gegangen ist“, sagte Süß.

Timo Boll freut sich nun auf drei Tage Pause, bevor Champions League und Bundesliga beginnen. „Jetzt sind Couch und Videostudium angesagt“, sagte Boll lächelnd. Und er sah so aus, als wäre das das Größte, was er sich im Moment vorstellen kann.

Jörg Petrasch[St. Petersburg]

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