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Irene Ivancan war trotz der Finalniederlage hochzufrieden mit ihren Leistungen bei der Tischtennis-EM in Danzig.

© dpa

Tischtennis-Em: Boll holt Gold - Ivancan überraschend Silber

Timo Boll siegt bei der Tischtennis-EM – doch die größte Überraschung gelingt Irene Ivancan aus Berlin.

An Schlagfertigkeit mangelt es ihr nicht, nicht nur an der Tischtennisplatte. Was sie denn die fünf Jahre seit ihrer letzten EM-Teilnahme gemacht habe, wurde Irene Ivancan gerade bei der Europameisterschaft in Danzig gefragt. „Ich war zuhause, habe mich versteckt, damit niemand weiß, wie gut ich bin“, antwortete die 28-Jährige. Der Berlinerin hat es an Schnauze noch nie gemangelt, an spielerischer Reife und der richtigen Einstellung zum Leistungssport bisweilen schon. Seit dieser Saison zählt Ivancan jedoch wieder zum Nationalkader, ihr Comeback im Trikot des Deutschen Tischtennis-Bundes krönte die seit Saisonbeginn für Eastside Berlin aufschlagende Studentin gleich mit Einzel-Silber. Die ohnehin gute Bilanz der Deutschen polierte Ivancan trotz ihrer 3:4-Finalniederlage gegen Li Jiao (Niederlande) kräftig auf – ihre männlichen Kollegen machten nach Team-Gold auch den Einzeltitel unter sich aus. In der Neuauflage den Vorjahresfinals besiegte Timo Boll seinen Düsseldorfer Klubkollegen Patrick Baum mit 4:1. „Timo reichen hier 70 Prozent“, sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf, nachdem der Weltranglisten-Vierte durch ein 4:0 über den Slowenen Bojan Tokic, am Vortag noch Bezwinger von Dimitrij Ovtcharov, ins Finale eingezogen war. In der Tat scheint es, als würde der 30-jährige Boll seiner europäischen Konkurrenz immer weiter enteilen. All jene, die Bolls Weg zum fünften EM-Einzel-Gold kreuzten, stöhnten über ihre Chancenlosigkeit, über eine Qualität in seinen Bällen, die sie von keinem anderen Spieler in Europa – und nur von wenigen in der Welt – kennen. Je einen Satzverlust erlaubte der Hesse sich nur gegen den Weißrussen Pavel Platonov, den Portugiesen Joao Monteiro – und Final-Kontrahent Baum. „Patrick hat mich echt gefordert. Ich habe fehlerloses Tischtennis gespielt, aber das war heute gegen ihn auch notwendig“, so Boll, nachdem er den insgesamt 15. EM-Titel seiner Laufbahn errungen hatte.

Als Boll und Baum am Sonntag ihre Medaillen entgegennahmen, befand sich Irene Ivancan schon auf dem Weg aus der Halle. Ihr Flug war für den frühen Sonntagabend gebucht – Indiz dafür, dass die gebürtige Stuttgarterin nicht damit gerechnet hatte, am Sonntag noch in die Box zu müssen. Schon in den Mannschaftswettkämpfen aber hatte sich angekündigt, dass es für Ivancan in Danzig gut läuft. Ausgerechnet die Spielerin, auf die Damen-Bundestrainer Jörg Bitzigeio so lange verzichtete hatte, avancierte dort zur Leistungsträgerin. „Sie ist ein absoluter Gewinn für die Mannschaft – spielerisch und menschlich“, sagte Bitzigeio über Ivancan, und adelte sie zum „Gesicht dieser Titelkämpfe“. Denn auch unabhängig von den starken Ergebnissen wusste Ivancan zu gefallen: Mit ihrem emotionalen Auftreten zieht sie die Zuschauer ebenso in ihren Bann wie mit ihrem Spielsystem. Abwehrerin Ivancan weiß immer wieder mit blitzsauberen Angriffsbällen zu überraschen – und mit blitzgescheiten Antworten. Frage: „Was hätten sie jemandem gesagt, der Ihnen vor dem Turnier einen Medaillengewinn prophezeit hätte?“ Antwort Ivancan: „Dass er Recht hat.“

Susanne Heuing

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