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Chinas Sieggarant Ma Long.

© dpa

Tischtennis-Weltmeisterschaft: Deutschland gewinnt gegen China nur Trostpreise

Wieder einmal bekommen Deutschlands Tischtennisspieler ihre Chance gegen China - und können sie wieder nicht nutzen

Es gab auch diesmal wieder Momente, in denen das Unmögliche nicht mehr unmöglich zu sein schien. Als Timo Boll gleich im ersten Satz nur zwei Punkte zur Satzführung fehlten. Als Dimitrij Ovtcharov auf einmal Satzball hatte. Als also kleine Chancen auf dem Tisch lagen wie ein seltenes Motiv vor dem Auge eines Fotografen. Schnell schießen, bevor der Moment wieder verfliegt, das Glück gegen China ist so scheu.

Die deutschen Tischtennisspieler schossen rasant, aber nicht schnell genug, als dass ihnen die Chinesen die Chancen nicht wieder vor der Nase hätten entreißen können. Die Chinesen mit ihren Körpern von Universalathleten, flink und kraftvoll zugleich, haben auch dieses Mannschaftsfinale in Tokio wieder gewonnen. 3:1 stand es am Ende, ein Punkt gelang Dimitrij Ovtcharov, immerhin einer mehr als beim letzten WM-Finale vor zwei Jahren, obwohl das ein Heimspiel war, in der Westfalenhalle von Dortmund. Aber auch dieses Finale war wieder ein Vertrösten auf die nächste Gelegenheit. „Wenn wir nur etwas unpräzise spielen, nutzen sie jede Chance brutal aus“, sagte Timo Boll. „Wir verlieren aber nicht den Mut.“

Im Jahr 2000 haben die Chinesen zum letzten Mal ein WM-Mannschaftsfinale verloren, gegen die Schweden. Das passierte vor allem deshalb, weil die Schweden eine goldene Generation aufbieten konnten mit Jan-Ove Waldner, Jörgen Persson, Peter Karlsson, Mikael Appelgren, Erik Lindh. Die deutsche Mannschaft ist die stärkste, die es bisher gab, aber sie besteht anders als die schwedische nicht aus einer goldenen Generation, dazu ist der Altersabstand zu groß. Boll ist 33 Jahre alt, seine Form ist immer noch stark, aber gerade nicht mehr so stark wie noch vor zwei, drei Jahren. Und die Chinesen haben sich mittlerweile gegen ihn eingespielt.

Dimitrij Ovtcharov ist 25 und erreicht gerade erst seinen Leistungshöhepunkt. An Europas Spitze hat er Boll abgelöst. Am Montag gelang ihm in Japan ein Punkt. Es war der Ausgleich zum 1:1 gegen den Einzel-Olympiasieger Zhang Jike. Und wenn man der deutschen Mannschaft etwas zugute halten möchte, eine Steigerung, dann ist es dieses Spiel von Ovtcharov. Noch nie gab es einen so deutlichen Einzelsieg im Mannschaftsfinale gegen China wie diesmal. Ovtcharovs 3:0 gegen Zhang Jike hatte etwas Chinesisches, so dominant spielte er. Und was ihm da gelungen war, das war ihm nach dem Finale gleich bewusst: „Gegen Zhang Jike habe ich das beste Spiel meines Lebens gemacht.“

Ovtcharovs Spiel ist auf der Höhe der Zeit. Wie die besten Chinesen eröffnet er viele Ballwechsel mit der Rückhand und schließt sie auch mit krachenden Rückhandschlägen ab. In seinem zweiten Einzel hätte sich Ovtcharov noch einmal steigern müssen, um gegen Ma Long zu gewinnen, um die Chinesen wirklich zum Zittern zu bringen. Das konnte er nicht, es fehlte etwas Frische, etwas Glaube, etwas Glück. Im WM-Mannschaftsfinale vor vier Jahren hatte Timo Boll noch gegen Ma Long gewinnen können, auch damals unterlagen die Deutschen 1:3. Was den Deutschen also fehlt, wäre die Gunst des Schicksals, drei, aber mindestens zwei Spieler ins Rennen schicken zu können, die zeitgleich den Gipfel ihres Spielvermögens erreichen. „Wir haben nur eine Chance gegen China, wenn Timo und ich gleichzeitig im gleichen Spiel unsere besten Leistungen abrufen“, sagte Ovtcharov. Doch das wird immer unwahrscheinlicher. Der Nächste hinter Ovtcharov ist Patrick Franziska. Er blieb in seinem Einzel gegen Xu Xin chancenlos, ist aber auch erst 21.

Aus Tokio nimmt die deutsche Tischtennisdelegation dafür zwei Trostpreise mit. Zum einen wird ein Deutscher ab September an der Spitze des Welt-Tischtennis stehen, dann löst Thomas Weikert den Kanadier Adham Sharara als Präsident des Internationalen Tischtennis-Verbandes ab. Zum anderen beschloss ebenjener Verband, künftig auch Spieler aus unterschiedlichen Ländern im Doppel miteinander starten zu lassen. Ein deutsch-chinesisches Weltmeisterdoppel, das wäre ein genauso sportliches wie charmantes Ziel.

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