zum Hauptinhalt
Sternchen unter Sternen. Schon im Grundschulalter trainieren Chinas beste Nachwuchsspieler mehrmals am Tag. Die Trainingsgeheimnisse sollen nun rund um die Welt gehen.

© rtr

Tischtennis: Wir helfen euch gleich

Kein Sport wird so von einem Land dominiert wie Tischtennis von China. Deshalb wollen die Chinesen jetzt in Europa eine Akademie für ihre Gegner eröffnen

Berlin - Der Vizesportminister klang besorgt. „Wir haben versagt“, erklärte Cai Zhenhua, in Chinas Sportverwaltung für Tischtennis verantwortlich und selbst früher Weltmeister. Was passiert war: China hatte gerade bei der Weltmeisterschaft alle Titel gewonnen. Schon wieder. Also habe China versagt, das spielerische Niveau der anderen Länder anzuheben, fand Cai Zhenhua. „Es ist definitiv nicht gut, wenn alle großen Titel bei internationalen Turnieren von Chinesen eingesammelt werden“, sagte er, „es ist unsere Pflicht, der Welt das Geheimnis unseres Erfolgs zu offenbaren.“ Damit ihr Nationalsport nicht langweilig wird und an Bedeutung verliert. Kleine Versuche haben die Chinesen schon unternommen: Regelmäßig laden sie Spieler aus dem Ausland ein, und sie schicken Trainer in die ganze Welt hinaus. Doch das alles reicht noch nicht, um Tischtennis wieder ausgeglichen zu machen. Deshalb soll jetzt Chinas Tischtennis dauerhaft nach Europa kommen.

Mitte November reist eine chinesische Delegation unter anderem nach Deutschland, um einen Standort für ein bisher einmaliges Projekt auszusuchen: die Internationale Akademie des Chinesischen Tischtennis-Verbandes. Ein Zentrum mit chinesischen Trainern, die den Europäern ihre Art von Spitzentischtennis zeigen sollen. Man könnte es Entwicklungshilfe nennen. Denn von Disziplinen wie Frauenrodeln einmal abgesehen, gibt es weltweit keinen Sport, der so von einem Land dominiert wird wie Tischtennis von China. 20 von 24 olympischen Goldmedaillen gingen bislang an Chinesen. Bei der letzten WM im Mai in Rotterdam verloren sie von knapp 100 Spielen gerade einmal zwei. Davon nur eins im Einzel, gegen den Hessen Timo Boll. China sehnt sich nach Konkurrenz. Auch beim World Team Cup in Magdeburg von kommenden Donnerstag bis Sonntag wird die Überlegenheit wieder zu bestaunen sein, China hat sich mit seinen besten Spielern angekündigt.

Die Pläne der Chinesen haben Adham Sharara, den Präsidenten des Internationalen Tischtennisverbandes, jedoch überrascht. „Der chinesische Verband hat mit mir über eine Akademie in China gesprochen“, sagt er, „aber nicht über eine Akademie in Europa.“ Jede Initiative sei zwar begrüßenswert, „aber ich glaube, dass ein europäisches Land es nur alleine schaffen kann, wieder besser zu werden als die Asiaten und nur wenn es das Ziel und die Verbandspolitik ist, die Nummer eins zu werden.“

China herausfordern ja – aber China ablösen? Das traut sich derzeit kein Land zu. Deshalb würden auch die Deutschen, Chinas härteste Verfolger, die Akademie gerne bei sich aufnehmen. „Wir sind auf jeden Fall interessiert. Schließlich sind wir die führende Tischtennisnation in Europa“, sagt Dirk Schimmelpfennig, der Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes. Er wird mit den Chinesen verhandeln. Auch Österreich ist ein möglicher Standort. „Wir könnten die Akademie auch nutzen, um in unserer Trainerfortbildung weiterzukommen“, sagt Schimmelpfennig. Denn um gute Spieler auszubilden, sind gute Trainer nötig. Von einem sechs- bis siebenstelligen Dollarbetrag ist die Rede, den China in Europa investieren will. Das passt zur politischen Strategie Chinas, seine „Soft Power“, seinen weltweiten Einfluss durch Beziehungen aller Art zu stärken. In der Akademie sollen nicht nur chinesische Trainer lehren, sondern auch chinesische Spitzenspieler mit Europäern trainieren.

Das würde es auch für Chinas größten und im Grunde einzig übrig gebliebenen Rivalen leichter machen. Timo Boll müsste dann nicht mehr so oft nach China reisen. In diesem Jahr war er wieder zwei Monate am Stück dort, „da bekomme ich dann meine Schwächen aufgezeigt, an denen ich arbeiten muss.“ Auch er findet die chinesische Dominanz „gefährlich“ für seinen Sport. „Manche nennen mich Chinas Staatsfeind, wenn ich wieder einmal gegen sie gewinne, aber die Chinesen sehen mich eher als Geschenk.“ Er sorgt dafür, dass die Chinesen an der Spitze nicht einsam werden. Das einzige, was ihm beim Tischtennis fehle, sei das tägliche Training mit den Besten der Welt, sagt Boll. „Die Chinesen trainieren immer unter sich, da kommen sie auf ein viel höheres Niveau, sie ziehen sich gegenseitig nach oben.“

Zur chinesischen Delegation, die nun die Akademie in Europa aufbauen will, gehört auch Zhang Hui. Er hat in Potsdam über „Computergestützte Spiel- und Taktikanalyse im Tischtennis“ promoviert und ist inzwischen Professor an der Sporthochschule Schanghai. Während seines Aufenthalts in Berlin spielte er auch für den TTC Blau-Gold im Wedding in der Verbandsliga. Schon sein Promotionsthema zeigt, mit welcher Akribie sich die Chinesen Tischtennis annehmen und welchen Erfahrungsschatz sie sammeln. Jetzt wollen sie ihn mit der Welt teilen.

Von Friedhard Teuffel ist gerade das Buch „Timo Boll: Mein China. Eine Reise ins Wunderland des Tischtennis“ im Schwarzkopf-&-Schwarzkopf-Verlag erschienen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false