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Sport: Titanisches Getöse

Stefan Hermanns über Oliver Kahn und seine nächtlichen Ausflüge Es gibt verschiedene Möglichkeiten, auf Seite eins der „Bild“Zeitung zu gelangen: Besonders wirkungsvoll war zuletzt, auf irgendeine Art mit Dieter Bohlen in Verbindung gebracht zu werden (Sex, Gewalt etc.).

Stefan Hermanns über Oliver Kahn und seine nächtlichen Ausflüge

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, auf Seite eins der „Bild“Zeitung zu gelangen: Besonders wirkungsvoll war zuletzt, auf irgendeine Art mit Dieter Bohlen in Verbindung gebracht zu werden (Sex, Gewalt etc.). Bei manchen Leuten aber reicht es, einfach nur das zu tun, was alle anderen auch machen. Zum Beispiel lange auszubleiben, wenn man am nächsten Tag nicht arbeiten muss. Oliver Kahn, Torhüter des FC Bayern München und der Fußball-Nationalmannschaft, hat es am Wochenende so gehalten. Am Montag fand er seinen nächtlichen Ausflug ins Karlsruher Nachtleben dann auf der Titelseite der „Bild“ dokumentiert. „Wirbel um Disco-Nacht“, stand da, und die Empörung entzündete sich keineswegs daran, dass Kahn ausgerechnet in Karlsruhe ausgegangen war.

Möglicherweise leidet der beste deutsche Torhüter („Bild“-Kampfname: Titan) unter einem typischen Reflex unserer Mediengesellschaft. Manche Menschen müssen erst richtig in die Höhe gejubelt werden, damit es anschließend umso mehr Spaß macht, sie wieder auf die Erde zurückzuholen, so wie beim Tontaubenschießen. Vor vier Monaten war Oliver Kahn – vor allem dank „Bild“ – nationaler Held, inzwischen ist er ein Drückeberger, der ungeniert feiert, obwohl er mit ärztlichem Attest krankgeschrieben ist.

Natürlich hat Kahn solche Deutungen mit seinem Verhalten provoziert. Bis vor einigen Wochen war er weltlichen Freuden ähnlich zugetan wie ein Franziskaner-Mönch. Jetzt aber berichten selbst seriöse Blätter darüber, dass Kahn raucht, Gin Tonic trinkt und am liebsten mit einem schneidigen Ferrari durch München bei Nacht fährt. Von einem Imagewandel ist die Rede – als ob es nur um den äußeren Eindruck gehe, den es zu erwecken gilt. Könnte es nicht sein, dass Kahn im fortgeschritten-postpubertären Alter einfach nur Lust auf noch ein wenig Party hat, bevor er den 40. Geburtstag feiert?

Überhaupt wäre alles nicht so schlimm, wenn die Bayern, Kahns Arbeitgeber, nicht gerade in einer Krise steckten, und wenn Kahn wie bei der WM auch wieder die unhaltbaren Bälle hielte. Die Bayern-Krise wird vergehen, so wie noch jede Bayern-Krise vergangen ist. Und wenn Kahn zum fünften Mal um halb sechs nach Hause kommt, wird das auch „Bild“ nicht mehr interessieren. Es sei denn, er war mit Dieter Bohlen unterwegs.

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