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Sport: Tod des Streckenpostens: Schumachers Tränen im Computerspiel

Als er weinte, wusste er nicht, dass er tatsächlich Grund zur Trauer hatte. Der Streckenposten Paolo Ghislimberti war bei dem Unfall ums Leben gekommen, wahrscheinlich von einem herumfliegenden Rad erschlagen.

Als er weinte, wusste er nicht, dass er tatsächlich Grund zur Trauer hatte. Der Streckenposten Paolo Ghislimberti war bei dem Unfall ums Leben gekommen, wahrscheinlich von einem herumfliegenden Rad erschlagen. Aber Michael Schumacher weinte ja auch nicht aus Trauer, eher als Druckausgleich. Die Ventile konnten nicht mehr dicht halten, die Anspannung war zu groß, so brach er für gut eine Minute in Tränen aus. Ausdruck für den momentanen Aggregatszustand der Rennmaschine Schumi, die zuletzt zu stottern schien.

Das verfehlte seine Wirkung nicht, denn alle Welt begann nun zu menscheln mit dem Formel-1-Star, ganz so als hätten sie eine Erscheinung gehabt. "Bild" hat sogar durch all die Feuchtigkeit - auf der Titelseite! - gleich in sein Herz gesehen. Auch die Tennismaschine Steffi Graf hat mal geweint. Als sie ihren letzten Grand Slam Titel in Paris gewann. Zum Ende ihrer beispiellosen Karriere war sie für Minuten größer und menschlicher als je zuvor. So weit wollen wir bei Schumi aber nicht gehen. Schließlich hat die Rennfahrerei am Sonntag auch wieder ihre Fratze gezeigt, welche die Fahrer in Interviews so cool umtänzeln. Den Tod.

Indes, auch wenn man sich für Motorsport nicht wirklich interessiert, kommt man in diesem Land, seit Schumacher richtig Gas gibt, um das Phänomen Formel 1 nicht herum. Und man ist leicht versucht, es für ein Computerspiel zu halten. Nicht nur die Rennen selbst oder Kai Ebel, auch die Gebrüder Schumacher wirken wie geklont. Sogar ihre Interviews und Fernsehauftritte erscheinen oft unwirklich. So gesehen passen die Tränen im Moment perfekt. Weil man wieder nicht weiß, worum es eigentlich geht. "Ich finde keine Vokabeln für das, was hier passiert ist", hat Schumi gestottert. Muss er ja auch nicht, er muss Auto fahren. Für die Vokabeln sind ja eigentlich wir zuständig, aber in diesem und bitte nur in diesem einzigen Fall müssen wir gestehen: Uns fehlen sie auch. Doch soviel ist sicher: Tote gibt es in Computerspielen nicht. Nicht wirklich.

Johannes Taubert

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